M'dorf, den 14.03.2003

Klaus, Du fragst ‘Warum überhaupt diese Homepage?’

Eine völlig berechtigte Frage, die mir auch Ulrike immer wieder stellt und die ich nicht schlüssig beantworten kann. Vermutlich genau so wenig wie die Millionen anderer Menschen, die eine private Homepage haben. Mir macht die Beschäftigung mit der technischen Seite der Materie einfach Spaß, sie fordert mich heraus und entspannt mich.

Das müsste eigentlich Rechtfertigung genug sein, will dem eigenen Anspruchsdenken aber auch nicht genügen. Man trägt ja schließlich ein humanistisch geprägtes Abitur als Lebensballast mit sich rum. Und da muss menschliches Treiben immer einen höheren, wertvollen Sinn haben. Steht man doch ohnehin schon dauernd in empörtem Widerspruch zur heutigen Fun-Gesellschaft, in der Formen wichtiger als Inhalte sind.

Kommt hinzu, dass wir so erzogen sind, dass uns Selbstdarstellung peinlich ist. Man hält sich vornehm zurück. Selbstlob stinkt, haben wir verinnerlicht. Wir können uns nicht daran gewöhnen, dass Sportler sich in Interviews über allen Klee selbst loben. Hätten aber Anerkennung anderer durchaus gern. Wenngleich wir sie - bescheiden, wie wir erzogen sind - ggf. natürlich von uns weisen.
Da kommen die Amis daher und lehren uns, dass ein gutes Selbstbild Erfolgsvoraussetzung ist. Think positiv. Und schon verbreitet jeder ungehemmt Gutes über sich, klopft sich vermutlich schon morgens vorm Spiegel auf die Schulter und findet sich großartig. Und geht selbstbewusst und überzeugend in den Tag.

Na ja, das ist ein anderes Thema. Selbstwahrnehmung - Fremdwahrnehmung.

Ausgangspunkt war - wie gesagt - die beinbruchverursachte, frei verfügbare Zeit und der Spaß am Machen. Vergleichbar mit der Phase des Aufbaus einer Eisenbahnanlage. Der Spaß daran, das auch zu können. Das Programmieren lernen, dahinter kommen, wie man eine Domaine bekommt, wie man seine Homepage hochlädt, wie man Änderungen und Erweiterungen vornimmt und veröffentlicht, wie man mit Grafikprogrammen arbeitet, wie man kleine bewegte Bilder herstellen kann, wie man solche Effekte erzielt, wie das Einblenden von Einzel-Bildern mit Text durch Berühren der kleinen Bilder mit der Maus etc.

Nach geheiltem Beinbruch stand der erste Auftritt und sofort die Erkenntnis, dass meine Site zu statisch, zu sehr von den Mühen des Anfängers geprägt, laienhaft wirkte. Und schon habe ich mich an Verbesserungen gemacht, Verbesserungen im Sinne von raffinierteren Features etc.

Dieser Lernprozess, der Kampf mit der Tücke des Objektes - denn learning by doing ist die wesentliche Methode - ist es, was mich reizt. Der Ehrgeiz, weiter zu verbessern, zu perfektionieren. Das ist meine Eisenbahnanlage, deren Reiz auch nicht darin besteht, Züge fahren zu lassen, sondern darin, das Gleisnetz immer weiter auszubauen, neue Züge einzusetzen, die Steuerung der Anlage zu erweitern.

Der Gegenstand - ich selbst - vielleicht Selbstdarstellungssucht und Geltungsbedürfnis. Ich hoffe nicht. (Eher der Appell Schaut mal her, was ich schon kann! Was natürlich nur dem was sagt, der sich mit dem gleichen Hobby rumschlägt.) Tatsache ist, dass sich das Thema angeboten hat: Bilder sind da, die Protagonisten auch und die Inhalte stehen sozusagen fest. Die Beschäftigung mit den Inhalten hindert nicht an der Auseinandersetzung mit dem Medium und dessen Beherrschung.

Irgendwann stelle ich mir sicherlich die Frage nach dem Nutzen der Inhalte. Es gibt aber eine Reihe von Techniken, deren Beherrschung mir Voraussetzung zu sein scheint, um nicht gehindert zu sein, Inhalte so darzustellen, dass sie sinnvoll genützt werden können. Und deren Beherrschung will ich mir noch erarbeiten. Wenn ich so weit bin, dass die Perfektionierung nicht mehr mein Thema ist, kommen die Inhalte, die Antwort auf die Frage nach dem Nutzeffekt einer Fähigkeit.

Ich könnte mir vorstellen, die Familiengeschichte, die heute umfangreich auf Papierform vorliegt, so zu digitalisieren. Vorteil: Alle Familienmitglieder weltweit können darauf zugreifen, neue, immer wieder aus irgendeiner Ecke auftauchende Erkenntnisse können eingebaut werden, ohne wie heute, zu Nachtrag, Verweis, Fotokopien mit Versand an alle etc. zu führen. Quasi eine dynamische Familiengeschichte für die Öffentlichkeit oder den geschlossenen Nutzerkreis Familie.

Im Zweifel fallen mir dann schon noch weitere Themen ein.

Das, lieber Klaus, zu Deiner berechtigten Frage nach Sinn und Zweck der zumal unserer Generation eher sinnlos erscheinenden Fingerübung. Vielleicht kannst Du das zumindest teilweise nachvollziehen.

Dein Freund

Michael

 

BerĂ¼ndung dieser Homepage - Brief an einen hinterfragenden Freund