Abends stelle ich fest: Ich habe nicht fotografiert. Nix. Nada.

Natürlich gab es was zu fotografieren, aber mein Entsetzen über die Folgen der Intensivierung der Landwirtschaft zunächst in der Region Murcia und später im Becken von Valencia bis fast hinauf nach Vinaroz hat mich blind gemacht für die Schönheiten am Wegrand. Und der Horror selbst hat mich nicht animiert anzuhalten..

Aber der Reihe nach:

Der südlichste Punkt meiner Reise war in Mojacár erreicht und mir bleiben nur noch wenige Tage. Die Wettersituation hatte doch an meiner Grundstimmung genagt und so war mir nicht mehr zu Arabesken in meiner Rückreise-Route zu Mute.

Langer Rede kurzer Sinn: Es zog mich deutlich nach Hause und so wurden die Etappen länger, die gewählten Straßen breiter, die Durchschnittsgeschwindigkeit höher.

Zunächst fahre ich etwas unorthodox quer Beet Richtung Murcia, lege manche unerwartete Schleife ein, weil die Erschließung des Gebietes unmittelbar nördlich Mojacár und neue Straßen, die weder die Karte noch GARMIN kennt, die Orientierung erschwert. Was zur Folge hat, dass mich das Gefühl befällt, ständig Strecke zu machen ohne voran zu kommen.

Als ich die Hauptstraße nach Norden erwische, will ich dieses Gefühl los werden und drehe erstmal kräftig am Gas, überlasse den Weg den Wegweisern nach Valencia, die naheliegender Weise die schnellsten Verbindungen bevorzugen.

Und so bin ich unversehens bei Valencia als meine Augen von der Straße in die Landschaft wandern. Erst nach einer Weile realisiere ich: Die riesigen glitzernden Flächen zwischen den nicht enden wollenden Orangehainen sind gewaltige von Plastikfolie überspannte Flächen unter denen sich Intensivlandwirtschaft abspielt: Erdbeeren, Tomaten, Salat und sonstiges Gemüse werden unter künstlichen Bedingungen für Zentraleuropa gezogen und ich kann mir lebhaft vorstellen, wie tausende Tonnen Kunstdünger den Spanischen Bauern die wirtschaftliche Blüte bringen und uns von Fungiziden und Pestiziden vergiftete Nahrungsmittel.

Dazwischen zieht immer wieder der Gestank der dicht gesähten Schweine- und Geflügelzuchtbetriebe in wenig erfreulichen Schwaden übers Land.

Die Landschaft ist verschandelt bis zum geht nicht mehr und die EU-geförderte Intensivlandwirtschaft ist dazu angetan mich, den Durchreisenden, zu verjagen und schwören zu lassen: Nix mehr Tomaten im Winter und Erdbeeren zur Unzeit. Mag lecker sein und verführerisch - aber sicher ungesund und auf Sicht tödlich.

Gleichzeitig fällt mir auf, wie sich entlang der Haupttrassen Betriebe und Supermärkte, angesiedelt haben und die Ortsein- und Ausgänge quasi belagern. Überall wuchert krebsgeschwürartig ungezügeltes wirtschaftliches Treiben, nur dem Moment verpflichtet, will es scheinen, ohne Blick nach hinten ohne Gedanken nach vorn. Die Wirtschaft boomt erkennbar und ich habe das unangenehme Gefühl, dass hier etwas schief läuft.

Der Parador Benicarló nimmt mich auf. Aber die Ähnlichkeit mit Mojacár ist unverkennbar. Auch das Angebot des Parador Benicarló richtet sich an Touristen, die noch nicht da sind.

Nachmittags fahre ich nach Selleta. Remig ist diesmal da und Eberhard (Ebo). Wir fahren abends zusammen nach Alcanar in die 'Stammkneipe' von Remig. Dort sammelt sich Wohlstandsmüll aus Deutschland. Ein abgehalfterter Reiseleiter, eine offensichtlich alkoholverursacht schon ziemlich verblödete, leicht schmuddelige Figur, die mal bessere Zeiten erlebt hat und hier nun als Wrak rumhängt und noch zwei andere Restgermanen, die sichtlich um Selbstwertgefühl ringend Pseudobedeutendes von sich gaben. Strandgut der deutschen Wohlstandsgesellschaft.

Gegen 23 Uhr tauchen plötzlich 3 Mädchen auf, die man wohl kennt. Deutlich keine Spanierinnen. Remig, erzählt mir, dass das die aus Osteuropa stammende Generation von Billigarbeitskräften ist, die die bisher diese Jobs besitzenden Marokkanerinnen vertrieben haben. Durch überlegene Tüchtigkeit und Engagement.

Sieh an sieh an. Das ist auch EU und Freizügigkeit.

Ich fahre in der Dunkelheit zurück in meinen Parador und finde bestätigt: La Selleta sagt mir nichts mehr. Wie eigentlich schon 2001.

An dieser Stelle mal was zu den Paradores: Absolut die fairste Preisbildung für Übernachtung. Z.B. die letzten beiden, ****-Sterne (!!) 64,62 € in Mojacár bzw. 56,81 €! diese Nacht in Benicarló. Die normalen ***-Sterne-Hotels kosten Minimum 85 € bis zu 116 € in vergleichsweise pimpfligen Holiday-Inn in CF! Selbst der Parador in Jaen hat nur 93,50 € gekostet.

Etappe 9
 
Mojacár - Benicarló ( 12. Tag: Mittwoch, 05.05.2004 - Etappe 9)