An Appellen an meine Kulturbeflissenheit mangelte es dieser Strecke mit klingenden Namen wie Toledo und Aranjuez wirklich nicht. Außerdem hatten die Spanier wohl meinen unterschwelligen Vorwurf, die EU auszubeuten, um sich ein überflüssig komfortables Straßennetz zu bauen, satt und wollten mir heute beweisen, dass er nicht gerechtfertigt ist, sondern die Investitionen nur einen untragbaren Zustand beseitigen - nicht mehr und durchaus ehrenwert.
So viel vorweg: Ich bin die 47 km auf der CM 4171 von La Nava de Ricomalillo nach Los Navamorales gefahren und habe zumindest bei den Spaniern hinsichtlich ihrer Straßenbaumaßnahmen Abbitte geleistet, die auf diese Straße angewiesen sind, weil sie dort wohnen. Ein paar Bilder und der Hinweis, dass ich gelegentlich eher versucht war, meine Maschine um die Kurve zu schieben, als mich den Folgen des Rollsplitts auszuliefern, der immer und gerade dann, wenn das Sträßchen besonders schmal, die Kurve außergewöhnlich eng und die Böschung erkennbar steil und abfallend war die Fahrspur schwammig machte. Nix mit "in die Kurve gehen" ohne gleich die Maschine dazu zu legen. Niemand unterwehgs - ich schien absolut allein. Also Maschine hinlegen wäre nicht so günstig gewesen. Gut, dass keiner entgegen kam, denn so manches Mal musste ich die linke Spur einfach mitnutzen, um rumzukommen.
Also, Freunde, hier sollte die EU wirklich was genehmigen....
Ganz unabhängig davon - solche Strecken haben ihren besonderen Reiz und tragen zum Abenteuer als solchem Wesentliches bei - war es ein Tag, an dem ich mich in der Pampa 2 mal trotz NAVI verfranzt habe. Das passiert dann, wenn aus einem Kaff hinaus 3 oder 4 Richtungen ansteuerbar sind, die Gemeinde eine Ortsumgehungen gebaut hat, um nun auch über wunderschöne Kreisverkehre die Abzweigungen zu regeln und das alles meinem NAVI noch nicht mitgeteilt war.
Das zeigt mir weisungsgemäß den Straßenverlauf voraus in Fahrtrichtung. Nun kennt es die neue Straße nicht, wähnt mich im Gelände, ist irritiert und nordet die Karte ein. Das kriege ich erst mal nicht mit und folge der angezeigten Richtung. Die ist aber dann die falsche. Kommt hinzu, dass die Spanier die Bezeichung einer Hauptrichtung nie beibehalten. Toledo ist angezeigt und Du marschierst los, denn da willst Du hin. Der nächste Kreisverkehr bietet 3 Ausgänge - keiner heißt Toledo, aber einer Ocaña und Du weißt, dass das auch stimmt. Beim nächten Kreisverkehr gibt es weder einen Hinweis auf Toledo noch auf Ocaña, aber einen nach Talevera de la Reina. Da weißt Du: das könnte stimmen, nimmst das Angebot an, um nach einigen km zu merken, dass Dein NAVI inzwischen wieder weiß, wo ich bin und auf die ursprüngliche Einstellung Fahrtrichtung voraus zurück gestellt, was ganz anderes will, weil nämlich Talavera nicht gestimmt hat und Hinweisschilder Richtung Toledo und Ocaña schon längst nicht mehr im Angebot sind.
Na ja, ich bin ja angekommen und es war wirklich eine schöne, abwechslungsreiche Tagesetappe in allen Aspekten. Ich habe den Versuchungen widerstanden mich auf Toledo und Aranjuez einzulassen.
Dabei bleibt es ein irgenwie beschämemdes Gefühl, um die Kultur- und Geschichtsträchtigkeit zu wissen, den Appell ganz intensiv zu verspüren: komm, halt an, sieh Dir Toledo an, den Alcazar, die historischen Stadtmauern, die Schmieden der berühmten Sarazener Klingen, konfrontiere Dich mit dem historischen Verständnis und der Bedeutung der Stadt aus der Lage, die Carlos V. damals und in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderst die Bedeutung im Bürgerkrieg gegen Franco bestimmt hat usw..... Oder Aranjuez: Schiller, Don Carlos, Die schönen Tage von Aranjuez sind nun vorüber.... und Du fährst am Palacio Real vorbei, den Jardines und km-lang an den königlichen Parks und hältst nicht an.
Es ist zu viel, es ist nicht Zweck der Reise und es kann nur ein oberflächliches Alibi sein, abzusteigen und interessierten Gesichts mit den ganzen Touristen, die aus ihren Bussen gequollen sind, umher zu gehen und so zu tun als ob.
Abhaken, Michael, hab' kein schlechtes Gewissen, sagte ich mir.
Immerhin habe ich damals, als ich in Spanien lebte und mehrfach bei Reisen in den 70er Jahren Toledo besucht, habe in einer Kneipe bei Tapas und Vino tinto an der Bar lehnend zusammen mit Aficionados die historische Benefiz-Corrida mit Paco Camino (6 Miura-Stiere!!) im TV gesehen, habe mit Ulrike in Arajnuez dicke rote Erdbeeren mit Sahne am Straßenrand gegessen, bevor wir durch die Gärten des Königspalastes gebummelt sind, damals.
Ich habe Cordoba besucht, bin durch die Gassen gestreift, habe mir die Mezquita angesehen und mich über die Hybris geärgert, mit der die Reyes Catolicos mit dem Bau der gotischen Kirche mitten in die herrliche, maurische Architektur die Überlegenheit des Christentums demonstrieren wollten und doch nur Barbarei hinterließen.
In Granada habe ich versucht, mich in den Gärten des Generaflife in einen Mauren zurück zu versetzen, der die Treppen herabschritt und in der Hitze seine Hangelenke im fließenden Schmelzwasser aus der Sierra Nevada zu kühlen, das unverändert in den Hohlkerben der steinernen Treppengeländer plätscherte; ich hab auf der Alhambra im Wasser des Löwenbrunnens - in absoluter Stille und ungestört von lärmenden Besuchern - die feinen Gravouren der sich spiegelnden Fassaden betrachtet und nicht die Abbilder fotografierender Touristen, die heute mit Vorbuchung im Internet busladungsweise durch die Gelassenheit und Muße heischenden Höfe und Gärten trampeln.
Chinchón (daher stammen alle diese Bilder) ist auch sehenswert, kaum touristisiertund bietet aparte Einblicke.
Heute erwartete mich noch ein genüssliches Abendessen. Nachdem ich es eben genossen habe - 23:00 Uhr nach spanischem Brauch - kann ich es hier noch nachzelebrieren, beginnend mit dem Speiseraum:
Morgen die letzte rein spanische Etappe: Nach Olite, südlich Pamplona - das werden auch so 450 km werden, östlich um Madrid herum.