Heute ist einer von den Tagen, an denen das Frühstücksei aus wissenschaftlich noch nicht untersuchten Gründen ganz besonders gut schmeckt. Vielleicht lag das an der traumhaften Nacht in kühlem Zimmer im grenzenlos großen Kings-Size-Bett mit 4 Kopfkissen als erholsamer Abschluss der zurückliegenden 2 Fahrtage über knapp 1100 km und einer alles andere als erholsamen Nacht dazwischen.
Ich sitze in meiner Lieblings-Kneipe „Le Nego“ am Place Georges Clemenceau in Orange, das noch volle Glas Ricard zur Hand. Es ist warm und bewölkt; ich habe einen strammen Fußmarsch von meinem Hotel hinter mir, in dem ich schon über 10 Jahre pausiere oder auch mal als angenehmen Ruhepol für kleine Tagestouren in die Cevennen, die Camargue oder die südlichen Ausläufer der Provence nütze (siehe links Orange 2003), heute wieder mal als Einzelgänger mit Bike auf der Suche nach Freiheit und Jugend. Na ja, zumindest die Jugend blieb in den letzten 70 Jahren auf der Strecke. |
Aber zum Thema, denn es geht schließlich um den Beginn meines Reiseberichtes 2008 nach und durch Spanien.
Klar ist: Eine Antwort der vergangenen Jahre auf die unausgesprochene Frage, Warum schon in so frühem Frühjahr nach Spanien? entfällt in diesem Jahr: Unserem trüben Nuschelwetter entfliehen dem Frühling entgegen zieht nicht. Als ich vorgestern losfuhr schien die Sonne blühten die Wiesen, die Tulpen, die Apfelbäume und die Kirschen im Garten – alles auf einmal und es war eine Pracht. |
Ich fuhr dennoch. Diesmal eine Anfahrt durch de Schweiz. Mal was Anderes. Traumhaft und von mir völlig unerwartet fand ich mich, nachdem ich südlich Memmingen bei Altmannshofen die Autobahn verlassen hatte und Richtung Bodensee gondelte in der Landschaft der Bikerträume: Kleine – trotz Sonntag und herrlichstem Ausflugswetter fast leere – schmale Sträßchen in allerbestem Zustand, die sich durch das Gelb der unendlichen Löwenzahnwiesen schlängeln, über die Hügel und die sanften Einschnitte, zwischen malerischer Architektur alter Weidegehöfte. Wenn man das malte, wäre es Kitsch. |
Glückliche (wie man aus der Werbung weiß) Kühe grasten und Pferde auf den Koppeln begleiteten mich auf den runden, geschmeidigen Kurven, die zum Bummeln einluden. Eigentlich, dachte ich mir, könnte ich hier bleiben und ganzjährig durch den sonnenbeschienen Frühling gondeln….
Bei Bad Schachen traf ich auf den Bodensee und kämpfte mich durch das ausflüglergetränkte Straßengewirr über Bregenz in die Schweiz. Gleich hinter der Grenze fädelte ich auf die A1 ein. Auf ihr blieb ich Großrichtung Genève vorbei an St. Gallen, Zürich, Bern, Lausanne.
Unterwegs in der Nähe von Zürich habe ich in einem Etappenhotel übernachtet – nicht erwähnenswert, wie die ganze Durchfahrt durch die Schweiz.
Schweiz? Nie mehr, zumindest nicht so: Zum einen hatte ich ein Pickerl, das keine Sau prüfte. Das geht ja noch, die gleiche Strecke auf Französischen Autobahnen wäre vermutlich auch nicht billiger gekommen. Aber 120 km/h – sehr, sehr häufig auf 110 reduziert und, das Schlimmste: Nahezu ununterbrochen fest installierte Geschwindigkeitskontrollen – gefühlte 100 Stück auf die läppischen knapp 300 km!
Ich bin zum Schluss gekommen, dass der Schweizer Bürger wirklich die Bedächtigkeit liebt. Nix dagegen, aber muss er die Freiheit einschränken und auch den zur Bedächtigkeit zwingen, der etwas flotter durchs Leben unterwegs sein will? Bitte, wer mag - ich nicht!
Ich fand das derart ermüdend und grauenhaft, weil ich meine Konzentration wie folgt verteilen musste: 60% auf das Einhalten der Geschwindigkeit (dauernd den Blick auf dem Tacho, wegen der Kontrolldichte), 35% auf den Verkehr und nur die verbleibenden 5% auf die Gegend, durch die ich fuhr. Ich bin überzeugt, dass es der Verkehrssicherheit dienlicher wäre, weniger rigide zu sein, denn wer keinen Tempomat hat, muss seinen Blick ständig vom Verkehrsgeschehen weg auf seinen Tacho richten. Ob das der mit den Geschwindigkeitsbeschränkungen angestrebten Verkehrssicherheit dient?
Als ich dann gestern – das Wetter war anhaltend schön, aber im Westen dräute es bereits – nach Genf auf die französische Autobahn kam, stöhnten wir beide, mein Motorrad und ich, lustvoll auf, interpretierten die von Liberalität und dem befreienden Hauch chaotischer Freiheit unterlegten 130 km/h Höchstgeschwindigkeit recht frei aus und fegten mit 140 – 170 km/h die Autobahn entlang und ich checkte so um 18 Uhr im Hotel ein.
Gut eingestimmt ist es der unvermeidlichen Rentnerbus-Reisegesellschaft auch nicht gelungen, mich meines Wohlgefühls zu berauben, obwohl sie es nicht lassen konnte, im angrenzenden und nicht schalldichten „Abfütterungsraum“ Deutsche Volkslieder anzustimmen – grauenhaft. Ich gab mich nicht als Deutscher zu erkennen, schämte mich aber vor den französischen und englischen Hotelgästen, die wie ich gelitten haben müssen, sich aber vornehm zurückhielten.
Ich war versucht nach nebenan zu gehen und darum zu bitten, doch lieber zu Hause zu bleiben, wenn ihnen in Süd-Frankreich nichts anderes einfiele, als Deutsches Liedgut eigenwillig und vielstimmig zu interpretieren.
Ich habe es nicht getan.
Morgen fahre ich quer durch die Cevennen über Alès, Millau (unter der großen Autobahnbrücke - siehe Bericht voriges Jahr - hindurch) - nach Albi, wo das Hotel Mercure für mich das Bett frei hält, was 2004, als ich es gebraucht hätte, 'occupée' war.