Parador de CardonaDie Burg von Cardona hat sage und schreibe 7 Stockwerke und ist derart verschachtelt, dass die Gäste des Paradores als erstes einen Querschnitts-Plan ausgehändigt bekommen, um sich zurecht zu finden. Alles – wie gewohnt – stilvoll und luxuriös bis hinein ins marmorgeflieste Bad. Mein Zimmer ist eine Art Maisonette über zwei Etagen mit einem Fenster über beide hinweg. Eine Wendeltreppe führt einen Stock tiefer – schlafen (natürlich Riesenbett) und Bad. Oben und unten je ein Fernseher, WI-FI selbstverständlich und kostenlos obendrein.

Während ich diese Zeilen tippe sitze ich auf der Terrasse des Cafés im 6. Stock, sozusagen on Top mit unglaublichem Rundblick, was man sich vorstellen kann angesichts der Außenansicht. Das Bierchen schmeckt, die hueces (Nüsse) sind knusprig und die Abendsonne wärmt noch.

BlickDer Tag hatte mit einem Blick durch das Fenster meines Zimmers im Mercur in Albi gut angefangen: Mein Weg aus Albi führte mich an der Kathedrale vorbei, die gestern Abend geschlossen war. Ich habe mich überwunden, habe angehalten trotz gerade begonnenen Aufbruchs, bin rein gegangen und war überrascht. Was die reiche und fein gearbeitete Steinmetzkunst aus Kalkstein betraf, unterschied sich die Kathedrale Saint Cécile innen nicht von anderen Gothischen Kirchen wie etwa Chartre oder Reims. Nichts wies auf den Backstein hin, aus dem das Gebäude selbst gemauert ist (1282 – 1380 ist mir in Erinnerung geblieben). Auch die Raumaufteilung klassisch, wobei – für mich außergewöhnlich, weil ich das so noch nicht gesehen (oder wahrgenommen) habe – die Wände der vielen Altarnischen sind vollständig mit bunten geometrischen, teils 3-dimensionalen Formen bemalt – jede Nische anders.

Trotzdem: lange hielt ich mich nicht auf, fühlte, dass meine Pflicht getan, mein kulturelles Gewissen beruhigt waren und schwang mich auf mein Gefährt. Gleiches tat ein Knabe meines Alters mit dem seinen: Einem Fahrrad, was mich zu einer anerkennenden Bemerkung veranlasste. Das Gespräch – es war ein Deutscher – ergab, dass er, 64, an sich auf dem Weg nach San Diago de Compostella unterwegs war, bis er stürzte und nun unplanmäßig mit der Zug wieder nach Hause müsse. Den von mir geäußerten Zweifeln wegen des letztlich durch das Buch von Hape Kerkeling wohl endgültigen zum Spektakel bzw. Medienevent verkommenen Hyps um den Jakobs-Weg, konterte er mit dem Hinweis darauf, dass es letztlich vom Einzelnen abhänge, was er daraus mache – er hielte sich durchaus gelegentlich in der einen oder anderen Kirche auf, um eine Stunde lang einen Rosenkranz zu beten. Meine Vermutung, dass es wohl katholischer Priester sei, verneinte er. Dem ist nichts hinzuzufügen – schon gar nicht ironisch entgegen zu setzen.

Wir wünschten uns gegenseitig gute Reise und fuhren unserer Wege. Ich habe noch ein Weilchen nachgedacht…

unterwegs unterwegs   So eingestimmt machte ich mich bei herrlichem Wetter auf den Weg, fuhr durch sehr abwechslungsreiche und extrem unterschiedliche Landschaften bei der Annäherung an die sich meinem Weg quer stellenden Pyrenäen – erst kleine „Abwege“ quer durch die Felder später auf der autobahnähnlichen Haupttrasse,
der einzigen hinauf nach Andorra.
unterwegs
unterwegs unterwegs unterwegs

Bei Pamiers endet die Autobahn und es war ein unsäglicher Stau entstanden von wenigstens 4 km. Dem Biker ist kein Spalt zu eng und so rollte ich links neben der Schlange am Mittelstreifen entlang – gelegentlich recht knapp neben den stehenden Autos, drängelte mich durch, bis ich letztlich durchgehende weiße Striche ignorierend, auch die stehende einspurige Schlange hinter mir gelassen hatte. Dann ging‘s zügig hinauf nach Andorra, wobei ich mit anderen Bikern ziemlich tollkühn die schleichenden, kaum Lücken lassenden Autos überholend, den alten Pass nach oben fegte. Die meisten Biker fahren zum Spaß hinauf, machen einen auf Bohei, tanken und dann geht’s wieder zurück nach Frankreich.

Mir bot Andorra erstmal unmittelbar nach der Grenze mit Pas de la Casa das pure Grauen, was Schnäppchenjäger sicherlich anders werten.

Wenn man von Frankreich nach Andorra fährt, geht’s toujour bergauf, wie beschrieben – mit dem Auto als Glied einer endlosen Kette Getriebener – und dann endlich, nach viel Geschlängele durch Serpentinen und Haarnadelkurven, wird man belohnt - oder eben nicht.

Auf dem Pass eröffnet sich der erste Blick auf die Einganspforte von Andorra: Pas de la Casa, das Paradies der Schnäppchenjäger!!!

Ein riesiger Parkplatz fällt ins Auge, randvoll mit Wohnmobilen – ich schätze mal 200 oder mehr, heute, an einem stinknormalen 8. Mai. Er geht nahtlos über in graubraune Gebäude, an Hässlichkeit nicht zu überbieten – sie bilden ein Konglomerat grauenhafter Gebäudeanhäufung, die nichts anderes beherbergen, als das Eldorado der Schnäppchenjäger, Menschen, die getrieben sind von der Überzeugung, erfolgreich Schnäppchen zu jagen, mache glücklich.

Wenn Du nicht zu dieser Sorte Mensch gehörst, deren Blutdruck bis an die Grenze des Erträglichen nach oben schnellt, wenn man ihnen sagt, dass es irgendwo etwas besonders billig gibt – egal was – , die einen Herzinfarkt kriegen, wenn sie feststellen, dass jemand Anderer das Gleiche billiger erworben hat, dann erlebe, wie ich, jene erste Begegnung mit Andorra mit Grauen und Du willst nur eins: fliehen vor dieser Begegnung mit der geballten Ladung menschlicher Abgründe, die nichts anderes sind, als nackte Gier nach Materiellem. Wenns wenigstens nach Sex wär....

Ich musste mich zwischen den Läden und den wohl von Glückseeligkeit getränkten Schnäppchenjägern durchkämpfen, die, so schien es mir, glasigen Auges über die Straße torkelten, um die erworbenen Schätze in ihren Autos zu verstauen.

Unterwegs habe ich mir noch so manchen Gedanken gemacht über Schnäppchenjagd.

Andorra on topNachdem ich den höchsten Punkt bei 2408 m erreicht hatte, ging es bei 11°C (im Tal waren es ca 24° C) durch die einzelnen Orte von Andorra bergab, bis ich auf den nächsten Stau auflief: Zoll-Kontrollen ohne Ende an der Spanischen Grenze. ½ Stunde Wartezeit hatte mir mein Staumelder im NAVI gemeldet. Das Gleiche von vorn: links vorbei, durchgewunken und ab nach Cardona.

Ich würde sagen: Bike und Fahrstil haben mir heute Nerven und mindestens 2 Stunden gegenüber einem Autofahrer gespart, der den gleichen Weg von Foix nach Spanien gesucht hat – auch wenn‘s deutlich am Rande der Legalität war. Aber das ist wohl inzwischen dort normal, denn die Polizisten, die das Spektakel der Biker beobachten, bleiben völlig stoisch.

Es war noch ein gutes Stündchen auf wunderbarer Straße druch eine bizarre Felslandschaft. Der Verkehr rollte zügig und es war so viel los, dass es mir leider nicht möglich war, anzuhalten, um Fotos zu schießen.

Päuschen am StraßenrandDann noch ein kleines Päuschen mit Filete de Ternera con patatas fritas con guarnición und eine große Flasche agua sin gas am Straßenrand in einen typischen, spanischen Dorf, durch das der Verkehr rollt. Alles wirkt staubfarben und nur ein paar roter CocaCola-Stühle und ein vor seiner leeren Kaffee-Tasse dösender Gast, der seinen zerbeulten, alten Renault R4 gegenüber abgestellt hat, locken... Das Szenario war sehr spanisch.

Tja, und nun sitz ich hier – inzwischen drin. Es ist kühl geworden und der Regen der nächsten 4 Tage kündigt sich an. Heute ist Donnerstag – am Samstag muss ich raus. Alles übers Wochenende belegt. Ich sehe einer Regentour entgegen.

Ziel: Der Parador La Granja in der Nähe von Segovia. Leider ein ganzes Stückchen weg.

Etappe 3
Etappe 3
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Albi - Cardona ( 3.Tag: Donnerstag, 08.05.2008 - 377km - Etappe 3)