WillkommenJa, heute, am 11.Mai, bin ich immer noch hier - erst morgen fahre ich weiter. Während in Deutschland das Pfingstwetter an Schönheit nicht zu überbieten ist, regnet es seit meiner Ankunft ununterbrochen. Ich hätte dennoch gestern eine lange, ziemlich kalte Regenfahrt von gut 600 km und ca. 8 Stunden im Sattel auf mich nehmen müssen, wenn nicht am Freitag Abend überraschend eine Reservierung storniert worden wäre.

TurmMir ist ein großer Stein vom Herzen gefallen, denn zu einer Gewalt-Tour im Regen stand nicht mein Sinn. Und so habe ich angesichts der Wettervorhersage, die sich im Moment gerade bestätigt, 2 weitere Nächte gebucht. Nach leichter Auflockerung am Vormittag, die ich zu einem kleinen "Dorf- und Burg- Gang" genützt habe, regnet es wieder. Die Bilder etwas weiter unten stammen aus diesem Rundgang.

Morgen geht es nun endlich weiter. Die nächsten 4 Etappen sehen so aus: Cardona - Soria - La Granja - Plasencia - Zafra. Zafra wird wohl mein südlichster Punkt werden, wenn mich nicht noch ein Storch ins Bein beißt und ich noch in Mazagón, südöstlich von Huelva an der Atlantik-Küste einchecke.

Jedenfalls wird meine Tour nun durch den unfreiwilligen Aufenthalt hier in Cardona etwas länger werden, was ich sanft meiner Familie beibringen muss.

Blick zurück in die Pyreneen

AusblickEinblickIch habe die Regentage hier dazu benützt, meine HP zu bearbeiten und zwei Beiträge in meinen blog zu stellen. Außerdem habe ich gefaulenzt, gepofelt und mit dem einen oder anderen Mit-Gast geplaudert, um mein Spanisch zu trainieren.

Lustig war die Begegnung mit einer "Rotte" mittelalterlicher, bessergestellter österreichischer "Gattinnen", die ihre Männer zu Hause gelassen hatten, um sich nach Anflug nach Barcelona einen Kleinbus zu leihen und eine kleine Rundreise von Parador zu Parador zu gestatten. Lustige Weiber, gut drauf.

Arttischocken-HerzenNa ja, aber eigentlich wollte ich reisen, nicht rosten, was ich in Form zunehmender Wampe tue, obwohl ich mir die letzten beiden Abende das Abendessen und den Rotwein verkniffen habe.

Ich frage mich, warum ich im Moment nicht auf gutes Essen und meinen Muga abfahre - in den vergangenen Jahren eines der wesentlichen Elemente meiner Herrentour als easy-rider. Ich denke, es hat mit dem Reisestillstand zu tun. Ich werde sehen, wie sich dieser Teil meiner Lustreise entwickelt.

Vieleicht liegt es aber ja auch daran, dass ich zu viel sitze, statt mich zu bewegen. Daher bin ich die Burg hinab (und später wieder hinauf) gestiegen um mir das Städtchen und die Menschen anzusehen und sie bei ihrem samstäglichen Treiben zu beobachten - sie, die Nachfahren derer, die die damaligen Bewohner der Burg ernährt haben. Wenn Du mich optich begleiten magst, dann schau hier. GO!

Eine Anmerkung zu meinem blog-Beitrag "Die Billig-Spirale" und gleichzeitig ein Eingeständnis schweren Herzens, wenn ich bedenke, dass nicht so sehr die Fahrt durch Andorra, sondern - vieleicht dadurch sensibilisiert - Beobachtungen im und um den Parador herum, mich zu diesem blog-Beitrag angeregt haben.

Ich beobachte nicht erst jetzt, sondern ganz leise schleichend schon in den vergangenen Jahren, dass meine These, der zufolge eine Gesellschaft, die der Schnäppchenjagd verfallen ist, ihre Qualitätsstandards verliert, auch vor den Paradores nicht Halt macht.

2 Tage bevor ich zu Hause losfuhr bekam ich ein Werbeschreiben und die Aufmunterung, wieder mal die Paradores zu besuchen. So weit OK.

Aber es lag ein Gutschein bei. Über 18 EURO!

Soll ich wirklich einen Parador aufsuchen, weil ich einen Nachlass von 18 Euro habe? Wie billig zu haben bin ich denn? Welches Bild haben die Paradores von ihren Gästen? Werde ich gesehen als reflexgesteuertes Primitivwesen, das Paradores besucht, weil es 18 EURO sparen kann? Und welches Bild haben die Paradores von sich selbst? Nicht um ihrer Qualität und ihres Ambientes Willen wollen sie anderen Hotels vorgezogen werden, sondern weil sie einen Einmalrabatt von 18 Euro anbieten?

Ja, ich werde ihn einlösen, aber ich bin persönlich beleidigt, weil Paradores mir die geschilderte Primitivreaktion unterstellen und der Ansehnsverlust meiner Lieblingshotels leitet bei mir einen Prozess der Entfremdung ein. Sorry, aber es ist so. Das ist Selbstaufgabe und Niedergang einer einmaligen Hotelkultur, die die Paradores ursprünglich ausgezeichnet hat.

Wer meine Berichte hier gelesen hat weiß, dass ich von den Paradores deshalb schwärme, weil sich Rahmen, Stil und Geschmack harmonisch zusammenfinden und Gästen, die das gehobene Ambiente genießen, eine Bewirtungsqualität bieten, wie ich sie so konsequent noch nicht kennen gelernt habe. Dabei geht es nicht darum, ein einzelnes Hotel zu kennen, das angenehmen Aufenthalt verspricht und durch die Jahre hält, sondern ein ganzes, flächendeckendes Netz über ganz Spanien.

Der gehobene Qualitätsanspruch braucht Gäste, die helfen, ihn zu halten. Und die nehmen in dem Maß ab, in dem sich die Paradores dem Geist der Schnäppchenjägerwelt öffnen, vermutlich öffnen müssen in ihrem Markt. Gut geschultes Personal, zurückhaltender aber immer präsenter Service, immer renovierte Räume, garade hängende Bilder, keine defekte Glühbirne - all das bieten zu können steht im Widerspruch zum Erwartungsdruck einer Billig-Gesellschaft. Dabei geht es nicht darum, dass die Gäste kein Geld hätten - nein, es geht darum, eine gesellschaftliche Erwartungshaltung zu befriedigen, die sich auf Sonderangebote, Kundenbindung über ein Punkteprogramm und dergleichen mehr erstreckt.

Es zieht damit ein Kundengeist ein, der nicht mehr wegen der Qualität bucht, sondern den Ruf der Paradores nützen, aber nur Sonderangebotspreise zahlen will.

So ist mir hier - wir sprechen von **** - konkret aufgefallen, dass die Churros lasch, fast kalt und gummiartig und die Spiegeleier nicht warm gehalten zum Frühstück angeboten wurden und zwar jeden Tag, die Toastmaschine falsch justiert war und verbrannte Toaste ausspuckte, bis ich am 3. Tag darauf hingewiesen habe, die Saftkanne mit ausgebrochener Guss-Nase auch am kommenden Tag wiederkehrte, die Bedienung übersah, mir Gewürze zum Abendessen zu servieren. Das Bild in einem Flur ist, seit dem ich hier bin, aus dem Rahmen gerutscht und die eine oder andere Glühbirne ist durchgebrannt. Kleinigkeiten, ja, aber Nachlässigkeiten, die die sinkende Qualität signalisieren.

Ich habe mein Zimmer zum Frühstück verlassen und das Schild "bitte Zimmer machen" rausgehängt, als ich zurück kam, war nichts geschehen, mein Zimmer wurde gegen 13:00 Uhr gemacht, zusammen mit allen anderen, deren Gäste abgereist waren. Das Gleiche gestern, als ich umgezogen bin. Mein neues Zimmer konnte ich erst mittags beziehen, das alte blieb ungemacht und meine Klamotten habe ich selbst geschleppt, weil ich sonst erst im Lauf des Nachmittags hätte einziehen konnen.

Das schadet mir natürlich nicht, zeigt aber einen deutlichen Verfall der Service-Qualität, denn die geschilderten Mängel wären vor wenigen Jahren noch unvorstellbar gewesen.

Manchmal denke ich, dass ich der letzte bin, der großzügig mit Trinkgeld umgeht, denn die propina passt nicht in eine billig-Welt: Service will ich - aber umsonst. In einer solchen Welt gibt es keinen Service mehr - er ist zu teuer.

Verlust von Lebensart - schade. Ich bin sicher, die beiden Caballeros rechts würden mir zustimmen...

 

 

Caballeros
Ruhetage in Cardona ( 3,4,5.Tag: Freitag - Sonntag, 9.-11.05.2008 )