Spießer gibt es überall. Als ich heute morgen mein Motorrad sattelte - es stand unmittelbar neben dem sehr dekorativen und schmucken Haupteingang - beobachtete ich einen älteren Spanier, der seinen Mercedes 190 C - so einer, wie sie bei uns auf dem Land von alten Bauern, meistens mit Hut auf, gerne gefahren werden und die man daran erkennt, dass sie noch ein altes Nummernschild haben - mit einem flauschigen Staubwedel abwedelte.
Dann fuhr er ihn direkt vor den Haupteingang, stieg aus und suchte den richtigen Blickwinkel für ein repräsentatives Foto. Irgendwas passt ihm nicht. Er stieg nochmal ein, fuhr 20 cm vor. Jetzt war's wohl ok, denn er machte ein paar Fotos und parkte sein schönes Auto wieder dort, wo es vorher gestanden hatte. Schön! Menschlich.
Heute stand mir keine Attraktivität versprechende Strecke bevor. Carmona, mein Ziel, lag fast genau auf der anderen Seite, also östlich von Sevilla. Großstädte, ob Sevilla, Madrid, Barcelona oder London wirken auf die gesamten Umlandverkehr immer wie eine Drehscheibe bzw. wie ein Stern. Und wenn man, wie ich heute, auf die andere Seite muss und nicht mitten durch will, gibt es zwei Möglichkeiten: man vertraut sich den üblichen "Umgehungsringen" an, meist autobahnähnliche Schnellstraßen, oder man versucht sich dem Sog zu entziehen und fährt eine selbstgestrickte Umfahrung ganz, ganz weit außen.
Ich habe mich den Umgehungs-Schnellstraßen anvertraut und Carmona liegt nur knapp 30 km OstNordOst von Sevilla an der Verbindungsstraße nach Cordoba.
Matalascañas ist ein witziger Name. Matar heißt töten und mata ist die Aufforderungsform töte, las ist der weibliche Artikel im Plural, also die und la caña (weiblich) ist ein gezapftes kleines Bier, also ein "Seidla" in Franken oder ein "Kölsch" in Köln. Folglich heißt matalascañas wörtlich töte die Seidla. |
Also bummelte ich bei schönstem Frühsommerwetter (Sevilla 24°C um die Mittagszeit) vorher über Huelva, Mazagón bis Matalascañas immer an der Küste entlang mit einem kleinen Abstecher zum Parador Mazagón, der traumhaft über dem Strand mitten in einem Pinienwald liegt - natürlich mit Schwimmbad und Zugang zum Meer. (Empfehlenswert, um ein paar Tage im Verborgenen mit einer/einem Geliebten von der Bildfläche zu verschwinden.) Dort lässt sich unterhalb der
ca. 20 Höhenmeter abfallenden gelben Felsen stundenlang an der Wasserkante entlang laufen, ohne dass es wegen der ganz nahen Felsen langweilig wäre, wie oft an Ausgleichsküsten. Man ist auch ziemlich einsam, denn es gibt auf dem Streifen von so ca. 30 km nur gelegentliche Zufahrten und nur drei, vier Campingplätze.
Oben auf dem Felskamm und dahinter hinein ins Land zieht sich eine Ebene, bewachsen mit Pinienwald, der Boden ist reiner Sand. Das ganze Gebiet mit Küstenstreifen ist der Nationalpark de Doñana und erstreckt sich bis von Mazagón östlich bis zum Guadalquivir und darüber hinaus.
In diesem Pinienwald fährt man - etwas zurück versetzt -
entlang der Küste, bis die Straße in Matalascañas endet.
Dort geht es nur nach Norden weiter, denn das riesige Naturschutzgebiet der Mündung des Guadalquivir ist absolut gesperrt. Wer von hier Richtung Cadiz oder Gibraltar will, muss zwingend über Sevilla fahren. Und ich folglich auch.
Ich bog nach El Rocio - ein ganz berühmter Wallfahrtsort, an dem ich vorbei fuhr, nachdem ich die unüberschaubare Anzahl geparkter Autos gesehen hatte, heute am Sonntag - nordöstlich ab und bummelte über Land. Durch endlose Plantagen: Oliven, Wein und Citrus sind zwar inzwischen auch ernte- und schädlings-spritzmaschinen-gerecht soldatisch aufgestellt, aber noch erträglich gegenüber den endlosen, plastikverhüllten Beeten die von den schwarzarbeitenden Armutsflüchtlingen betreut und geerntet werden, die, über das Mittelmeer gekommen, rechtlos zwischen den Welten ihr Leben als Billigstkräfte fristen.
Neben den Plantagen fielen mir blühende Rosen, Kakteen, mir unbekannte, blau blühende Bäume, Eukalyptus und unedliche - auch den Mittelstreifen der Schnellstraßen blickdicht und über mannshoch begleitend - Oleanderhecken auf, die in allen Farben von weiß über viele Rosée-Töne bis violett, fast lila hinein blütenübersäht waren.
Es war eine kurze Fahrt heute - kann nicht schaden, denn morgen gehts nach Oropesa, das sind gut 400 km überland oder 7 Stunden im Sattel.
Jetzt schaue ich mir erst mal den Parador an, der mal wieder in historischem Gebäude traumhaft liegt mit unendlichem Blick in die Ebene.
Ich habe mich umgeschaut und ein paar Eindrücke gesammelt. Ich will mich nicht widerholen, was Paradores, ihre Lage und den Umgang mit der historischen Substanz anlangt. Jedenfalls täten die deutschen Denkmalsbehörden gut daran, ihre Restriktionen aufzugeben um damit zu ermöglichen, dass historische Substanz durch Bewirtschaftung zumindest selbsttragend erhalten werden kann.