Zu Hause, in meinem Auto, liegt ein Stück Holz, ein Stück von einem Ast mit Rinde, gut zwei handbreit lang und gut 2 Finger stark. Nichts Auffälliges und überflüssig wie alle Maskottchen. Ich habe ihn unter einem Olivenbaum aus dort lagerndem Astabfall geschnitten. Mit Ulrike unterwegs irgendwann in den 70er Jahren um die Osterzeit - wenn ich gewusst hätte, dass er mich so lange begleiten würde, hätte ich das Datum hineingeschnitzt.

Das war zu einer Zeit (letztes Jahrhundert!), als man sich unter Olivenhain einen in der sommerlichen Mittags-Sonne liegenden, etwas verwunschenen Terrassen-Garten, oberhalb und unterhalb begrenzt durch kunstvoll handerrichtete Stützmäuerchen, vorstellen konnte, bewachsen von hochstehenden Gräsern und Kräutern, durchsetzt von blühendem Klatschmohn und blauer Kornwinde unter einzelnen Olivenbäumen, knorrig und uralt, in deren Schatten man Siesta machen konnte, dösen und nur das Zirpen der Zikaden unterbrach die laszive, etwas staubige Mittagsruhe und die träge machende Wirkung des Rotweins...

Olivenhaine gibt es nicht mehr!

OlivenplantagenOlivenplantagenStattdessen Olivenplantagen, Felder, endlos. Ich bin sicher die letzten 60 bis 80 km der heutigen Etappe durch Olivenfelder gefahren, die große Teile Andalusiens - fast möchte ich sagen: überwuchern, ersticken, töten in ihrer Effizienz, ihrer Maßlosigkeit, in der sie die Hügel flächendeckend überwachsen bis hoch hinauf die Berghänge. Darunter kein Grün nur glatter, nackter absolut gewächsfreier Boden dafür vorgesehen, die durch Schütteln herabfallenden Oliven maschinell zusammen zu kehren und auf kürzestem Wege den Ölmühlen zuzuführen, die allenthalben eingestreut sind in die Landschaft - sozusagen als rauchende und stinkende Ölraffinerien in dem, was ehemals eine Olivenhain war.... Ein Wunder, dass die Felder nicht gekachelt sind - zum Beton fehlt nicht viel.

Straßen gehen immer geradeausAnsonsten brachte der Tag keine besonderen Ereignisse und Begegnungen - er verlief sozusagen gradlinig im wahrsten Sinn des Wortes. Ich fuhr aus der an sich eher bergigen Provinz Cuenca kommend durch die brettebene, landschaftlich eher reizlose endlose Agrarwüste der Mancha, die im Moment von zartem Grün überhaucht ist, Sonnen-Plantagedas im Sommer nach der Ernte zu Wüstengelb verkommt undverstaubt auf den nächsten Frühling wartet. Die Straßen gehen immer geradeaus - bis zum Horizont um dann - für den Fremden völlig unmotiviert - einen Knick zu machen der erneut endlos gerade aus auf den Horizont weist.

Da wird das motivsuchende Auge bescheiden und hält an, weil sich unterwegseindrucksvoll großflächige, mehrstöckige, sich mit der Sonne drehende Panele einer Sonnenenergie-Plantage -sicher 2 km lang und mehrere 100 m tief - entlang der schnurgeraden Straße erstrecken. Die Weinstöcke im Vordergrund wirken auf mich wie eine Erinnerung an früher, als die Welt noch "in Ordnung" war.

WetterWetterNatürlich ergaben sich ein paar Bilder - aber viel ist nicht zu berichten vom heutigen Track bei kräftig wechselndem Wolkenbild, Szenario immer wieder sich bildender örtlicher Gewitter, schon von Weitem zu erkennen, ohne dass ich hätte ausweichen können.

Ich bin schon um 14:00 Uhr hier in Ùbeda angekommen und werde morgen noch bleiben: Zeit zum descanso - wenn die sich durch Trommeln immer wieder bemerkbar machenden ParadorOsterprozessionen das zulassen. Pause zum Putzen meiner Stiefel, zum Bebildern meiner Berichte und natürlich auch, um mich umzusehehn, denn Úbeda und die Semana Santa sind Gegenstand meiner Neugierde.

Übrigens: Es müssen 20- 25 Jahre her sein, da habe ich ein Computerprogramm von einem System auf ein anderes portiert. Um das erträglich zu machen, habe ich damals unseren VW-Camping-Bus Paradorgeschnappt und habe eine Spanienrundreise gemacht. Wenn ich dann das Bedürfnis hatte, mal wieder vernünftig zu duschen, bin ich ins Hotel gegangen - unter Anderen hier in diesen Parador. Als ich morgens weiter wollte, waren alle 4 Reifen durchstochen - nicht nur bei mir, sondern rundum. Vermutlich eine Gemeinschaftsaktion der angesiedelten Vulkanisierbetriebe.... Während die Reifen geflickt wurden habe ich programmiert :-)



Ruhetag in Úbeda Frage: Was hat er gebracht? Was hab ich getrieben?
  Antwort: Nichts - das ist der tiefere Sinn eines Ruhetages.




UbedaNach reichlichem und spätem Frühstück habe ich einen Bummel durch die Altstadt gemacht und war etwas enttäuscht trotz mancher netter Ecke, manchem Ein- oder Ausblick. Für den kulturhistorischen Kenner ist sicher gesorgt, obwohl ich auf keine Rarität gestoßen bin. Das will allerdings nichts sagen, denn zum einen bin ich auf diesem Gebiet zu wenig bewandert und zum anderen habe ich auch nicht danach gesucht.

UbedaIch hatte eine florierende, Reichtum ausstrahlnde Stadt erwartet, begünstigt durch ihre Lage inmitten des Olivenanbau-Gebietes. Dem war aber nicht so. Gebäude und Straßen zeigten eher Bedürftigkeit. Viele kleine Läden, denen man ansah, dass sie kümmerten, allerhand "locales a vender" oder "aquiler" (Geschäftsräume zu verkaufen oder zu vermieten), manche Ecke inmitten der frequentierteren Einkaufsstraße in arg verwahrlostem Zustand.

UbedaMeine Fragen, ob diese sterbende Ausstrahlung der Innenstadt denn eine direkte Folge der aktuellen Wirtschaftslage sei oder ob mein Eindruck mich trüge, dass die Kaufkraft es den innerstädtischen Läden schon länger schwer mache, zu existieren, ergab nur zögerliche Antworten. Die Aussage, dass das auf die Semana Santa zurück zuführen sei, in der viele ihre Läden traditionell schlössen, wirkte sehr fadenscheinig. Ich vermute eher, dass die touristische Randlage von Úbeda nicht genug Kaufkraft in die Altstadt trägt, um sie zu erhalten bei gleichzeitigem Abzug von Kaufkraft durch Shopping-Center in Stadtrandlagen dort, wo die Menschen in Käfighaltung in Wohnsilos hausen, fernab des gewachsenen Altstadtkerns ohne Parking.

UbedaBei aller Grund-Sehnsucht nach überlieferten Bauwerken als Ausdruck geschichtlicher Herkunft und langlebiger Stabilität sind es doch die im Fernsehen transportierten Bilder, die die Erwartungen an den Lebensrahmen prägen und erstrebenswerte Vorgaben formulieren. Die lassen sich eher in einer Neubauwohnung mit zeitgemäßer Infrastruktur und Komfort verwirklichen. Luxus lässt sich preiswerter in einem billig hochgezogenen Wohnsilo am Stadtrand simulieren, als in einer bauhistorisch wertvollen Innenstadt-Altbau-Wohnung. Diesen wahren Luxus können sich nur Wenige leisten - nicht anders in Deutschland.

UbedaNach einem recht ausgedehnten Bummel durch die Altstadt mit einem kleinen Expresso hier, einer Cola&Rum dort, habe ich mich mit Blick auf die cena, das Abendessen, auf die comida, das Mittagessen, verzichtet und mich der guten, alten spanischen Sitte folgend auf's Ohr gelegt und eine ausgedehnte Siesta gemacht.

Nun, da es so gegen 18:00 Uhr ist, werde ich - auch einer guten, spanische Sitte folgend - erneut ein wenig durch die Stadt streifen auf der Suche der Ecke, donde se pasea, um das zu tun, was alle dort hintreibt: sich sehen lassen - was bei mir als Fremdem wirkungslos bleibt - Leute gucken und mir ein paar Tapas zur Überbrückung bis zum Abendessen mit dazugehörigen Gläschen vino tinto genehmigen.

Schaufenster eines OptikersDie Semana Santa - die Osterwoche für den, der's noch nicht mitgekriegt hat - wird durchaus allenthalben celebriert, zumal in Andalusien und in der Extremadura und nicht nur - aber vielleicht auch - für die Touristen. Das zeigt sich einerseits in das Ortsbild prägendem Schmuck an den Häusern z.B. durch identische Tücher, die über die Balkone gehängt werden. Gerne werden auch die Schaufenster individuell dekoriert, was zu kuriosen Installationen führt, die auf mich meist kitschig und bigott wirken, ohne den Menschen die Echtheit ihres Ausdrucks von Frömmigkeit absprechen zu wollen.
Ein Beispiel ist die Auslage eines Optikers links.

Vom Abendessen ist mir das Bild der ersten Gaspacho Andaluz dieser Reise geblieben - sie sah ansprechend aus und löste meine Erwartungen ein - Wert also, festgehalten zu werden.

 

Etappe 4
unterwegs
unterwegs
Alarcón - Úbeda (5./6. Tag: Dienstag/Mittwoch, 07./8.04.2009 - 276km/4:00h - Etappe 4)