Nachts pladdert der Regen auf das Kupfer-Vordach unter meinem Fenster - morgens um acht, als ich aufstehe, auch. Trüber Blick über trüben Hafen mit trüben Wetteraussichten.

Bis halb elf habe ich sehr genüsslich und umfangreich gefrühstückt, gepackt, geladen und bezahlt. Bei der Abfahrt regnet es. Kühne Straßenführung über schmierig glänzendes Kopfsteinpflaster in der Altstadt steil bergauf über kleine, aber vorfahrtsberechtigte Querstraßen mit entsprechenden Stops. Eine Tussi, die in der schmalen Bergauf-Gasse vor mir hält, um rückwärts einzuparken und mich zwingt, ebenfalls rückwärts bergab zu rollen. Fängt ja gut an!

Über 300 km vor mir.

Also erstmal auf die Autobahn und abgedüst rum um La Coruna Richtung Santiago de Compostela. Arme Pilger, habe ich mir gedacht, die aus den Bergen kommen, in denen sich der Siff vom Meer kommend staut und erkennbar in ergiebigen Regenschleiern ergießt.

Noch bevor ich auf Höhe Santiago bin hört der Regen auf und ich beschließe, mal nach Santiago de Compostela rein zu fahren. Ich war noch nie da und wenn ich schon in der Nähe bin... Wissend, dass der Parador ein Teil der zentralen, historischen Klosteranlage ist, peile ich ihn an. Bei zunehmender Annäherung fällt mir schon am Busbahnhof, wo die reisenden Pilgerstöme aus- und eingeladen werden, das Polizeiaufgebot auf. Kein Durchkommen mehr zum "allerheiligsten Bezirk" - der gesamte Verkehr wird um und abgeleitet - nur Fußgänger dürfen rein. Auch die Zufahrt zum Parador ist gesperrt.

Natürlich verfranze ich mich in dem Verkehrsgetümmel und Gassengewirr und fürchte schon, dass der Heilige Ort ohne meine Aufmerksamkeit und Bewunderung wird weiter leben müssen (was ihn vermutlich wenig krazt) und suche nach der Ausfahrt aus der Stadt. Da, jeh und überraschend, huscht doch noch ein Blick von Ferne auf den Gesamtkomplex im Augenwinkel an mir vorüber. Kurz entschlossen angehalten, Moped geparkt und zurück gedackelt durch einen Park und doch noch ein Beweisfoto gemacht: Ich war da! Na ja.

Zwei, drei Autolängen von meinem Parkplatz entfernt ein Mannschaftswagen der Guardia Civil, aus dessen offener Schiebetür der Hintern eines Polizisten auf den Bürgersteig ragt. Ich habe ihn - den Polizisten, natürlich - angesprochen und nach der Ursache des dem zufällig vorbei kommenden Reisenden sehr umfangreich erscheinenden Polizeiaufgebotes gefragt. Nichts Besonderes (nada de importancia), meinte er, der Provinz-Gouverneur werde erwartet und man wisse von möglichen Demonstrationen. Sie hofften nicht arbeiten zu müssen. Warten sei zwar langweilig, aber eine durchaus angenehme Art der Arbeit.

Bevor ich weiter fuhr entledigte ich mich im Vertrauen auf die Wirkung des heiligen Ortes meiner Regenmontur, denn ich war inzwischen außen trocken, aber von innen nassgeschwitzt - nicht Sinn der Sache.

unterwegs
unterwegs
unterwegs

Und siehe da, es ist manchmal ganz gut, wenn sich der Ungläubige dem Herrn anvertraut, er hat es berücksichtigt, denn es hat tatsächlich bis hier her nicht mehr geregnet, zumindet dann nicht, wenn ich grad vorbei fuhr.

Derart ermuntert fuhr ich nicht mehr Autobahn, sondern die restlichen ca. 300 km Landstraße. Es war zunächst grün, ich wähnte mich in Bayern. Kühe auf der Weide, ein Flüsschen mit unberührtem Ufer.

Je höher in die Berge, um so karger die Landschaft, der Bewuchs. Es war schwierig, die unendliche Weite einer Hügellandschaft, die sich häufig am Horizont in verschneiten Berg-Kämmen verlor, mit ihren vielen sich hinterlagernden und überschneidenden Hügelketten, alle bräunlich-rot mit tuffem Dunkelgrün flach bewachsen, zu erfassen, weil die Sonne fehlte und die Tiefe, die das Charakteristische dieser Landschaft ist.

Irgendwann wurschtelte ich mich an Orense vorbei, ein Städtchen, das mir in Erinnerung blieb, weil auf kürzeste Entferneung 3 Brücken den Rio Miño querten wobei eine von einer Statik getragen war, die sich dem Laien schwer erschließt.

Puebla-de-Sanabria
Der Parador ist - zu meiner Überraschung - ein hochmodernes, flaches, top ausgestattetes Gebäude - im letzten Jahr generalüberholt. Das bauhistorisch wertvolle ist eine Gebäudegruppe auf dem Hügel gegenüber, die ich aus meinem Fenster sehe. Sie ist das eigentliche alte Dorf mit den schmalen Gassen und altem Pflaster, überragt von Klosterbau mit Kirche und massiver Wehrburg - alles bestens erhalten und gepflegt.

Ich bin - wenn ich so in oft verlassenen, weil unfruchtbaren und Menschen kaum ernährenden Gegenden - über die Vielzahl an Burgen, Herrensitzen, unverhältnismäßig großen Kirchen und Klöstern verwundert. Die Dichte wirft die Frage auf, wie die sich ernährt haben, bei den landwirtschaftlichen Gegebenheiten. Ein Kenner, den ich in einem Parador traf, erklärte mir die Hekunft und Ursache mit den vielen Königreichen, in die Spanien im Mittelalter gegliedert war, den sich zur Beherrschung ergebenden Strukturen von zugehörigen Adelsgeschlechtern und Herrensitzen und - natürlich überall dabei, wenn es um Macht und Seelen ging - Monumente kirchlichen Beistandes. So wird es wohl gewesen sein, aber was nützt mich ein Stück Wüstensand ohne Öl drunter oder Sonnenkollektoren drauf?

Das ist in Deutschland ja ähnlich. Nur dass hier in Spanien der Kontrast zwischen der Kargheit des Landes und der zwangsläufig geringen Ergiebigkeit des Bodens sowie die sich daraus ergebenden dünnen Besiedelung - die Zeugen der ehemaligen Armut ist heute überal lnoch sichtbar - und der Häufigkeit und Prächtigkeit der Herrensitze und kirchlichen Anlagen deutlicher wird, als in einem von Fruchtbarkeit gekennzeichneten Deutschland.

Laienfragen zur Bettgehzeit.....

Morgendlicher Nachtrag, das Abendessen betreffend.

Menukarte

Es gibt wohl mit dem Argument "regionalee Vielfalt" bieten zu wollen in den Paradores auch eine kleine Menukarte.

Ich vermute, dass es sich in Wirklichkeit um ein preiswürdiges Angebot an die lokale Bevölkerung jetzt, außerhalb der Saison, handelt, denn natürlich kann jedermann in den Restaurants essen, nur ist das ziemlich teuer.

amuse geule
Alcachofas
Truchas
Fresas

Aus dieser Karte habe ich mir gestern Abend ein Menu zusammengestellt, weil mir das Angebot der Hauptkarte irgendwie nicht behagte. Das hätte ich vielleicht doch nicht machen sollen - wegen der Forellen.

Meine gestriges Menu:

Alcachofas Salteadas con Jamón de Pato
(Artischockenböden mit Enten-Schinken)
Trucha a la Sanabresa
(Forelle auf salabresische Art.)
Fresas con Nata
(Erdbeeren mit Sahne)

Mir geht es um die Forelle, auf dem Bild als solche nur schwer zu erkennen, daher beschreibe ich die aus dem Erscheinungsbild auf dem Teller abgeleitete Zubereitung:
Man nehme eine Forelle ohne Kopf, schneide sie in 4 Stücke quer samt Greten!, gare sie in der Fritteuse, füge als "Sättigungsbeilage" reichlich Scheiben gekochter Kartoffeln dazu und übergieße das Ganze mit eine klaren, rötlichen Soße, die sich bei näherem Hinsehen als paprikagefärbtes Olivenöl entpuppt.

Ja, so hat das auch geschmeckt und die eher vorsichtige Rückfrage der Bedienung, ob es mir denn geschmeckt habe, konnte ich auch nur mit hasta cierto punto (bis zu einem gewissen Grad) beantworten. Aber: Ich habe tapfer aufgegessen.

Ich würde denken, eher bescheidene kulinarische Ansprüche in der Salabresischen Küche, möchte aber zur Ehrenrettung der Köche anmerken: Das Vorgericht und die Nachspeise waren vorzüglich.

So, auf gehts, die Sonne scheint - ich erwarte dennoch nahe der Picos de Europa, an denen ich beim nördlichen direkten Hochstechen an die Asturische Atlantik-Küste vorbei komme, einen eher kühlen Fahr-Tag.

Etappe 11
 
Ferrol - Puebla de Sanabria (14.Tag: Samstag, 18.04.2009 - 370km/7:15h - Etappe 11)
Speisekarte