Das war der Tag der Sturmböen aus wechselnden Richtungen auf wenige Meter und überraschender Stärke. Morgen werde ich Muskelkater haben ohne Ende - ein Tag mit zwei Gesichtern, mehr Risiken, als an einem anderen und ziemlicher fahrerischer Herausforderung.

Aber nacheinander. Ronda hat aus meiner Touren-Sicht eine erheblichen Lagenachteil: Entweder ziehe ich mich wieder nach Norden zurück oder - und das war ja meine ursprüngliche Absicht - wenn ich ganz in den Süden fahre - Gibraltar bzw. Algeciras, dann komme ich um den Teil der Mittelmeerküste nicht vorbei, der am wenigsten Ziel meiner Etappenwahl wäre: Der geballten Tourismus-Industrie von Estepona über Marbella, Fungirola und Malaga könnte ich nicht ausweichen.

Außerdem wollte ich durch das Bergmassiv der Sierra de Grazalema gondeln, ein riesiges, fast geschlossenes Naturschutzgebiet, kaum erschlossen mit nur wenigen und dazu straßenmäßig kümmerlichen Durchquerungs-Möglichkeiten, das den südlichen Zipfel Spaniens bestimmt. Die Touristenhochburen auf der Strecke nach Nerja - selbst so eine Touristenhochburg der scheußlichen Art, in der ich gelandet bin, erträglich sanft dank Parador - wollte ich auf der von Algeciras aus durchgehenden Autobahn zügig hinter mir lassen.

unterwegs nach Süden
 
unterwegs nach Süden
unterwegs nach Süden
unterwegs nach Süden
unterwegs nach Süden
unterwegs nach Süden
unterwegs nach Süden
unterwegs nach Süden
unterwegs nach Süden
unterwegs nach Süden

Also erst Genuss, dann Pflicht. Und genau so zerfiel der heutige Reistag in zwei Teiletappen die kontrastreicher nicht hätten sein können.
Gemeinsam hatten sie durchgängig den böigen Wind, der mich auf einer Autobahn zwischen Gebirge und Meer mit ständigen Brücken und Einschnitten sehr heftig gebeutelt hat und sprunghaft versetzte, wenn's gerade recht kam - mal durch eine Böe vom Meer, mal vom Gebirge herab. Das fordert Konzentration und ständige Bereitschaft durch Gegensteuern, also Gewichts-Verlagerung, sofort zu reagieren. Dabei ist es unerlässlich, den Lenker stets fest im Griff zu haben, was auf der Autobahn normalerweise nicht angesagt ist. Also Kraft aus den Armen als Daueranforderung. Davon aber später.

Zuerst gings raus aus Ronda nach Süden in die Berge. Der Wind nahm zu und entwickelte sich zu einem böigen Sturm, der in den meist engen und kleinteiligen Bergtälern, durch die sich das Sträßchen in kurzen, unübersichtlichen Kurven schlängelte, Böen etfwickelte, die in Kurven, die ich ohnehin nur mit 30 km/h nehmen konnte, die Richtung und die Stärke wechselte, um unvermittelt wieder weg zu sein. Ich kann nur sagen: Fatal für sicheres Weiterkommen.

So pirschte ich mich durch karges Hoch-Land dem Anschein nach ohne jedes Angebot, Menschen zu ernähren - entsprechend menschenleer war es meistens. Bis dann unverhofft, zumindest am Anfang der Strecke, bevor es erst in den Naturschutzpark hinein ging, das eine oder andere Bergdorfauftauchte - zwei habe ich durchfahren. Das Sträßchen - von Mehrzahl als Alternative kann ich nicht sprechen - wurde schmaler, gut autobreit. Ich musste mich trotz Unübersichtlichkeit versuchen auf der Mitte zu halten, auch in den Kurven, um Spelraum zu haben, wenn mich die Böen in den Graben bzw. die Böschung hinab scheuchen wollten.

Dennoch, das sei angemerkt, ist mir ein gelegentlicher Stop gelungen und ein paar Fotos, mal ein Ausblick, mal die Korkeichen, die sich offensichtlich in dem stenigen und kargen Gelände zu Hause fühlen. Irgendwann war ich durch. Über zwei sehr mühsame, anstrendenge und herausfordernde Stunden, in denen mir mein Motorrad nur 1 Mal umgekippt ist. Ich stand - Bike zwischen den Beinen - wollte das Motiv ohne Motorrad fotografieren, was nun mit gefallener Braut im Vordergund etwas anders aussieht. Der steht nicht fest genug, dachte sich die Böe und schon war's passiert. Bald kam ein Auto getuckert und zwei tapfere Männer halfen mir wieder auf die Räder und weiter gings. Scheint inzwischen Routine.

Es lagen mühsame, prickelnde und faszinierende 90km hinter mir und an der Schnellstraße, auf der ich bei Alcalá de los Gazules endete, stand Algeciras/Málaga.

Meine Richtung, meine Autobahn und los gings - 2 3/4 Stunden so rasant wie möglich Böen gepeinigt, vorbei an allen Namen und auch an der unübersehbar, in der Ferne in aller Mächgtigkeit vorbeiziehenden Silhouette des Felsbrockens Gibraltar. Anfangs wenig Verkehr, ein Wassser am Straßenrand und trocken Brot. Die Autobahn führte noch vor Algeciras, also ganz im Süden meines Tracks, durch riesige, zum Teil schaumkronenverzierte, überschwemmte Gebiete. Die Flachbrücken führten über braune, riesige Seen, die große Weideflächen an den Bäumen erkennbar meterhoch geflutet hatten, statt über kleine Trockenbächlein.

Schon bei Estepona begann es: Die Spanische Bauwut hat hemmungslos das gesamte Land zersiedelt und zugeklotzt mit nun erkennbar leerstehenden Ferien-Wohnungen. Die eindrucksvollsten Wohnzellenburgen, manche sehr geschmackvoll, manche grauenhaft, absolut selbstmörderisch in der Dichte und - der Standortwahl! Ich konnte leider nicht knipsen außer an einer Mautstelle, die aber noch Harmloses zeigt.

KüsteKüsteDu Leser, kennst Autobahstrecken entlang bergiger Küsten, die Bergausläufer duchschneiten und das folgende kleine Tal überbrücken um dann den nächsten Bergausläufer wieder zu durchschneiden usw. Diese Flanken der Bergausläufer sind kaskadenförmig dierekt über und an der Autobahn mit sich stapelnden Wohnkartons bebaut - mit Terrasse und Blick zuerst auf die Autobahn - 30m Luftlinie - und dann auch in der Ferne (je nach dem 3 - 5 km Luftlinie) auf das Meer. Und links - will sagen, dass die Autobahn genau vor der Nase liegt und der Blick zwangsläufig über die Autobahn auf das entfernte Meer wandern kann - ist es nicht anders und gelegentlich ist die ganze Talmulde links der Autobahn und die Hänge seitlich und die Hänge hinauf in die Tiefe mit unterschiedlichsten Architekturansätzen hinaus mit Wohneinheiten gestapelt.

Und das mehr oder minder dicht nahezu lückenlos über eine Strecke von wenigstens 50 km.

Das ist unvorstellbar und ich frage mich, welcher Baulöwe an welche Käufer gedacht hat, als er diese zukünftigen Schutthalden aufwändig in die Landschaft gedonnert hat.

Ich habe auch diese Strecke heil überstanden, obwohl manchmal sehr stockender Verkehr um Málaga mich gezungen hat, zwischen den zwei rollenden Autoreihen fahrend Lückenhopping der feinen Art zu betrieben. Irgendwann in einer Bergabschlange hat ein Blondie gepennt und ist vor mir so in die Eisen gegangen, um nicht auf ihren Vorgermann auf zu fahren, dass sie letztlich quer stand. Nach hinten hat sie nicht geschaut - da war ich dicht auf. Aber meine Erfahrung hatte mir geholfen, das Drama kommen sehen und so war im letzten Moment weit auf die Seitenspur ausgewichen, um meinem Hintermann die Möglichkeit zu geben, mich zu verschonen. Übung gelunen.

Heil angekommen in dem Parador Nerja in der ebenso heilen Urlaubswelt mit Mittelmeerblick und eigenem Fahrstuhl zum Strand, habe ich erst mal geduscht, ein Schläfchen gemacht, eine kleine Zwischen-Gericht genommen und jetzt meinen Bericht geschrieben - noch lebt der Tag in mir.

Nachtrag: Mein Ruhetag liegt hinter mir und fand unter diesen Gegebenheiten statt: Sonne, Wind, Meer - auch mal ganz schön, wenn der sonstige Rahmen stimmt. Und das tat er, wenn man Tourismus sozusagen von innen nach außen betrachtet, d.h. unkritisch und auf das eigene Wohlgefühl bezogen.

Es ist der Abend des 10.April - morgen früh starte ich zur "Süd-Nord-Querung" der Sierra Nevada und habe zur Stärkung meiner Kräfte mal wieder stilvoll zu Abend gegessen. Alle Ingredienzen von Olivenöl bis meinem zu meinem Schlückchen Muga waren alle dabei. Also zusammengefasst: Mir geht's wieder gut.
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Etappe 6
Ronda - Nerja (Freitag, 09.04.2010 - Etappe 8)
Gambas