Ja, heute bin ich schnurstracks und ohne schuldhaftes Zögern so lange auf der Autobahn gefahren, bis es keine mehr gab - was, so will mir inzwischen scheinen, in Spaniens besiedelteren Regionen bedeutet: von Bett zu Bett! ;-)
Wenn mich nicht ganz, aber wirklich ganz zum Schluss auf den letzten 3 km noch ein kleines Abenteuer vor eine fast unlösbare Aufgabe gestellt hätte, die, da bin ich sicher, von meinem Navi zusammen mit meinem frustierten Motorrad ausgeknobelt wurde, gäbe es von der Fahrt schon garnichts zu berichten, was nicht jeder kennt, der Autobahn gefahren ist.
Aber zunächst: gestern Abend habe ich nochmal in Jávea anständig gegessen - das Bild der Hauptspeise - Seezunge gegrillt, mag dafür stehen. Am Nachmittag hatte ich bei leidlich warmen Temperaturen vergeblich versucht, einen alten Ortskern auszumachen, auf den ein Schild hinwies. Ersatzweise habe ich mich dann im hotelzugehörigen Palmengarten ergangen und bei angenehm wärmendem Sonnenschein im neuest verfügbaren Spiegel gelesen - der mit der Unglücksfigur Papst Ratzinger.
Angesichts angekündigten Regenwetters bis hinauf nach Teruel hatte ich mich entschlossen, Albacete sozusagen und tatsächlich links liegen zu lassen und stattdessen lieber direkt auf dem schnellsten, dem Autobahnweg, nach Norden zu düsen und nochmal in meinem Ausgangsparador für die diesjährige Rundreise in Aiguablava an der Costa Brava unterszuschlüpfen, wo Sonnenschein als gesichert vorehrgesagt war.
Gesagt getan und heute morgen um halb zehn war ich auf der Piste. Gemütlich so mit 120 - 130 km/h (oder auch mal etwas mehr) dödelte ich bei geringem Verkehr im Schutze hoher Mautgebühren und bestens ausgebauter, parallel verlaufender und kostenloser Nationalstraße so vor mich hin. Im Wesentlichen Flachland, intensivst landwirtschaftlich genutzt - die Apfelsine wächst um Valencia herum ziemlich hemmungslos. Ich kann angesichts der Rauchschwaden aus vielen Feuerstellen aus Baumbeschnitt die Erkenntnis weitergeben: Verbrannter Apfelsinenbaumbeschnitt riecht, anders als man hoffen mag, nicht nach Apfelsinen!
So umfuhr ich die Ballungsräume Valencia, Reus/Teruel und last but not least Barcelona mit großer Gelassenheit und entspannt bei angenehmer, trokener Witterung und ca. 16° bis 20° - die Sonne schien kaum, was dem Biker nicht unrecht ist. In der Ferne an der Küste brachten sich die bekannten Badeorte zwischen Barcelona und Valencia an der Costa Azahar und Costa Dorada durch klotzartige Hochhaus-Silhouetten in Erinnerung und empfahlen eher das Weiterfahren, als dass sie zum Verweilen angeregt hätten. Ich querte den Ebro nahe seiner Mündung, warf von der Höhe der Brücke im Vorüberfahren einen erinnerungsträchtigen Bick hinaus auf's Delta und weiter gings.
Und wieder staunte ich heute mehrfach über die Standortwahl der Spanier, wenn es darum geht, sich "ein Häuschen im Grünen" als Zweitwohnsitz in Küstennähe zuzulegen. Die Menschen müssen hier eine ganz andere Wahrnehmung und ein anderes Verständnis von optimaler Lage haben. Eine sozusagen durch den Vorgarten führende Autobahn scheint keinerlei Manko zu sein.
Ein Haus sehe ich noch vor mir: Rechts von mir das Meer in weiter Entfernung, erkennbar an der Hochhaus-Skyline. Ich schätze mal 5 km. Bis dahin Flachland, Landwirtschaft. Links von der Autobahn beginnt Hügelland. Auf dem sozusagen ersten Hügel - nicht hoch, vielleicht 30 Höhenmeter - ein supermodernes, nagelneues Haus, toll! Interesante Architektur, kubisch, terrassiert, teils freischwebend, das Haus dem Anschein nach mit dem Hügel so verschmolzen, als bilde er ein konstruiertes, architektonisches Element. Muss klotzig Kohle gekostet haben. Blickausrichtung Osten, also Meer und - ca. 100 m Luftlinie entfernt ich, mein Motorrad und viele Andere auf der Autobahn! Unfassbar!!!
Ich folgte meinem Navi um Barcelona herum Richtung Francia und nahm die Ausfahrt Palamos, Tossa de Mar, Playa der Aro und wie sie alle heißen, die Klassiker an der nördlichen Costa Brava. Erwartet hatte ich das, was man eben so erwartet, wenn man von der Autobahn runter fährt: Eine Straße, vielleicht eine von Bundesstraßenqualität wegen des sommerlichen Touristentransports. Irren ist menschlich, ich bin in Spanien.
Es ist wieder ein Autobahn-Gebilde. Nagelneu! Vierspurig, insgesamt rund 45 km lang, das die nördliche Costa Brava mit Touristen versorgen soll. Knapp 5 km davon sind noch in Bau. Sehr aktiv, sehr teuer, sehr emsig wird geschafft. Dieses gesamte Streckenstück ist eine immense Baustelle an der an jedem Meter gleichzeitig gearbeitet wird mit unendlichen Baggern, Kränen und gelbleuchtender Warnfarben-Man-Power - parallel zur bestehenden, breiten bundesstraßenartigen Strecke. Durch das Baustellengewirr wurde der laufende Verkehr fast unbeeinträchtigt hindurch geleitet. Sowas sähe man gerne mal in Deutschland an Baustellen. Aber wir haben bekanntlich kein Geld.
Und als sei das noch nicht genug: Als ich in Palafrugell Richtung Begur/Aiguablava abbiege empfängt mich die gerade im Werden begriffene Neugestaltung einer Ortseinfahrt. Die Einfahtrtstraße - von wenigsten 50 bis 70 neu angepflanzten Bäumen flankiert - mündet in eine Weitläufige Kreisverkehr-Kombinationen. Nein, keine mickrigen und in großer Zahl billig verfügbaren Siptzahorne, wie sie bei uns zu Hause die Neubausiedlungen standardisieren helfen. Nein, lauter mindesetens 30 Jahre alte, im Stamm locker 30 cm starke, säuberlich gestutzte Olivenbäume - ein Vermögen! Und - ich konnte das wegen eines baustellenbedingten Stops beobachten - die Bäume sind mit einem unterirdisch verlegten Bewässerungssytem bestens versorgt. Die Haupt-Zugangsanschlüsse wurden gerade montiert.
Und so dachte ich mir: Spanien ist pleite, die EU fürchtet unterfüttern zu müssen und hier wird in einer verschwenderischen Art das Geld verbuddelt, wie es großkotziger garnicht geht. Investition in die infrastruktrelle Zukunft. Aber immer noch besser, als verbrennen oder Flucht in Sachwerte :-)).
Und hier in Palafrugell beginnt die eingangs erwähnte Verschwörung der mich begleitenden Technik. Mein Navi schlägt mir - Luftlinie mögen es noch 6 km zum Ziel sein oder weniger - eine Weg aus dem Städtchen vor, der mir gleich etwas seltsam abwegig vorkommt, aber bitte. Der Tag war fahrerisch anspruchslos, warum nicht ein wenig Abwegiges auf den letzten Metern? Die Idee kam vermutlich von meinem Motorrad, was den ganzen Tag keine andere Aufgabe zu bewältigen hatte, als immer gradaus auf der Autobahn - 600 km lang! Und so vermute ich, hatte es sich mit dem Navi verabredet, noch eine besondere Einlage zu bringen.
Also raus auf dem Städtchen, der Weg wird schmaler, scheint in der städtichen Müllhucke zu enden. Dem war nicht so. Ab da führt der Weg, den ich fahren sollte, links vorbei um ein Gebäude und betand ab da aus gestampftem Lehm, war ein PKW breit, rechts und links Böschungen und wilder Bewuchs. Aber irgendwie lasse ich mich auf den erkennbar blödsinnigen Routenvorschlag ein.
Es wird immer abenteuerlicher - umdrehen war nicht. Wasser hatte Rinnen in den Lehm gespühlt. Es war meist abschüssig oder ansteigend mit leichter Tendenz zu schmieriger Oberfläche. Gelegentlich seitlich abfallend. Schwierig. Enge Kurven, eher Ecken, um die ich rum muss und dann gings urplötzlich sturzbergab. Aber wie. Links 10m hoch die Lehmböschung, rechts nach unten. Wildes Gestrüpp und Bäume verhindern einen Orientierungsblick. Die Kurve und was dahinter kommen mochte war nicht einsehbar. Ich sehe vor meinem geistigen Auge hinter der Biegung am Ende des Gefälles schon eine Bachfurt im Urwald vor mir oder so was Ähnliches. Hier kommt erst in Monaten wieder einer und rettet mich. So wüst ist der Umgebungseindruck. Ich kann nicht mal anhalten, sondern nur tastend und bremsend weiter rollen. Nix zu machen - da musste ich durch mit meinen speziell straßenorientierten Reifen - für Gelände absolut ungeeignet.
(Das Bild entsteht erst, als die Gefahr hinter mir lag - logo, denn ich konnte vorher gar nicht stoppen.)
Es war keine Furt, nur ein kleiner Knüppel-Damm über den Bach am tiefsten Punkt. Na immerhin.
Als ich am anderen Ende nach vorantastendem Fahren endlich wieder Teer unter den Reifen, Besiedlungsanzeichen im Blick und sogar einen Menschen mit ertauntem Gesichtsausdruck vor mir hatte wußte ich: Ich bin gerettet!
Noch ein dutzend Kurven durch zersiedelte Felsberghänge und ich war in meinem Hotel angelangt - über einen sehr überraschenden Weg und dem zugehörigen überraschende Ausblick in die Bucht von hoch oben.
Abends regnet es heftig - alles zu.
Und jetzt, heute morgen, wo ich letzte Hand an den Bericht anlege: Ich sitze im Schatten, Blick durch die dicken Pinienkronen auf die lieblich-harmlose Bucht und das blaue Wasser, das der Bucht den Namen gibt: Aiguablava - blaues Wasser
Ich denke, das ist der würdige Abschluss der Reise in diesem Jahr. Morgen werde ich - Weg noch offen - nach Orange fahren, mein Motorrad aufladen, verzurren und abfahrtbereit machen - etwas wehmütig, denn ich fühle, es könnte das letzte Mal gewesen sein.
Vielleicht freut sich mein Sohn Christoph, wenn sein Vater als Überraschungsgast wenigstens am Abend seines 26. Geburtstages noch auftaucht.