Solltest Du keine Steigerung von saudumm kennen, dann wirst Du sie kennen lernen, wenn Du hier weiter liest. Ich will nicht vorpreschen und den Ereignissen ihren Lauf lassen - in chronologischer Reihenfolge.
Ich bin heute erst kurz vor 10:00 Uhr nach einer saumäßigen Nacht in Albi gestartet. Das ausgezeichnete Frühstück hat mich allerdings entschädigt: 2 in eigener Regie butterweich gekochte Eier, knaxiges Baguette, guter schwarzer Kaffee, Saft, Butter, Aufschnitt, hochklassige Marmeladen und Honig (nicht nur nach der Verpackung, sondern nach dem Geschmack) usw.
Meine Absicht war es - unter Meidung von Schnellstraßen - weit nördlich von Toulouse mit den Zwischenzielen Montauban und Auch nach Pau zu fahren. Richtung also westsüdwest. Eigentlich ganz einfach, wären genau diese Städte nicht in den vergangenen Jahren mit eleganten Schnellstraßen - meist 4-spurig und Autobahnstandard - verbunden worden, vermutlich weil keine vernünftige Verbindung bestand. Garmin tat sich erkennbar schwer, eine Alternative nach den vorgegebenen Kriterien zu finden und führte mich statt nach Nordwest erst mal nach Süden und hätte ich nicht eingegriffen, wäre ich in Toulouse gelandet. Also habe ich eingegriffen und wieder nach Nordwesten geschwenkt.
Zeit vertrödelt, was nichts machte, denn das Wetter war schön. So stoppte ich doch häufiger. Ein Hinweis auf das Örtchen namens LISLE SUR TARNE lockte mich und ich machte ein paar Fotos, wohl wissend, dass das Wetter sich im Verlauf des Tages und mit Annäherung an die Pyrenäen verschlechtern sollte. (Was es dann auch tat.)
Irgendwo stand malerisch auf einer Anhöhe eine verfallen anmutende Kapelle, die mich reizte, sie in Augenschein zu nehmen. Das Verbotsschild und der Hinweis privée hielt mich nicht ab. Traumhafte Lage eines kleinen, aufgelassenen Friedhofs hinter einer verrosteten und verschlossenen Gartentüre.
Sie ließ im Vordergrund Blick frei auf prächtige blaue Iris und in der Ferne auf die weiße Kette der schneebedeckten Pyrenäen, deren Gipfel fast mit den Wolken verschmolzen. Herrliche Lage - nur dass die, die da begraben ruhten, sie wohl kaum genießen konnten...
Ich habe geknipst und als ich zur Brille griff, die ich immer abnehmen muss, um vernünftig durch den Sucher schauen zu können, war sie weg! Sie zu finden war nicht schwer - dumm nur, dass ich sie in den Dreck getreten und dabei sehr heftig verbogen habe! Gute Qualität. Das Zurückbiegen hat sie überstanden und ich auch.
In einem Örtchen namens Saint-Sulpice, grade mal knapp 50 km Luftlinie von Albi entfernt, also vielleicht 1/4 des Gesamtweges nach Pau und der Tank halb leer. Eingedenk der neuen Regel, zu tanken, wenn's geht, nicht erst, wenn's muss, habe ich zugetankt und mich frohen Mutes auf den neuen Neben-Weg Richtung Auch gemacht. Nach schätzungsweise 10 km an einem leeren Wanderer-Parkplatz halte ich an, um zu pinkeln und als ich wieder starten will, springt mein Trike nicht mehr an! Blub-blub-stotter, aus. Nochmal. Nix. Was am Vergaser? Wieso? Muss doch anspringen! Blub-blub-stotter, aus. Hm. Was kann das sein? Ich suche nach Erklärungen für ein Verhalten, für das es keine gab. Das Gerät war neu und auf den Gedanken, dass es einen Defekt haben könnte, kam ich nicht. Warum auch? Sprang bisher immer an. Sofort! Also musste es eine andere Ursache haben.
Sah der Sprit, den ich befüllt habe, nicht seltsam aus, als was daneben spritzte? Verdunstete nicht gleich? Glänzte so fettig? Habe ich etwa Diesel eingefüllt? Verdammt, ich habe Diesel getankt!! Was bin ich für ein Idiot! Vermutlich lief ich vor Entsetzen unterm Helm rot an. Mich überfiel die Vorstellung "Allein auf weiter Flur und Diesel zugetankt. Das bedeutet in der Werkstatt das Reinigen aller Düsen und was weiß ich was alles!" Keine Kleinigkeit. Nach Pau heute? Vergiss es, Michael! Nochmal: Blub-blub-stotter, aus. Nix zu machen.
Was tun hier allein im Wald? Wen anrufen? ADAC über die Auslandswahl? Lächerlich. Wie beschreibe ich überhaupt - wem auch immer - auf Französisch, wo ich bin und was mein Anliegen ist? "Ma Moto ne springt pas an" oder wie? Wo ich es doch selbst nicht weiß? Irgendwo im Wald zwischen zwei Käffern. Von dem, das ich gerade durchfahren habe, kenne ich den Namen nicht und den des vor mir liegenden auch nicht. Müsste mir Garmin sagen können. Mein Trike abschließen, stehen lassen und zurück laufen? In zwei Stündchen würde ich im Ort sein. Vielleicht kommt ein Auto vorbei und nimmt mich mit. Sammeln, Michael - don't panic, cool down! (Wohl schon zu spät für den Ratschlag.)
Da kommt ein grüner, völlig zerbeulter Renaut-Lieferwagen angetuckert: Seeeeehhhr altes Baujahr und in bejammernswertem Zustand. Ich hatte ihn irgendwann vor einer halben Stunde überholt, weil er maximal 50 fuhr. Und hält genau vor mir, rangiert rückwärts und ein grauhaariger Mann steigt aus und auf der Beifahrerseite seine Frau. Woher wissen die, schiesst mir völlig abwegig durch den Kopf, dass mein Trike aufgeladen und in eine Werkstatt gefahren werden muss?
Sie hatten die Füsse noch nicht fest auf dem Boden, da stürze ich mich mit meinem besten Französisch auf sie mit folgendem hier lautmalerisch wiedergegebenen Satz: "Bon jour Mesiö, je ne parle pas le Fronzä, pas du tous, mai jä üne probleme grave avec mon moto". Dann verließen sie mich und ich stammelte etwas von gazoile und fault. Schrecklich! Peinlich! Ich fühlte mich hilflos und beschissen.
In Englisch, was bei den Beiden meinem Französisch entsprach, ergab sich, dass im Transporter 2 Pferde waren, lebendige versteht sich. Sie haben - was klar ist - nicht meinetwegen angehalten, sondern weil ihnen der Platz geeignet schien, die beiden Tiere zur Erholung auszuladen und etwas pausieren zu lassen.
Sie würden die Pferde ausladen, man könne stattdessen mein Trike einladen und während sie blieb, um auf die Tiere aufzupassen, würde er mich zu eben jener Tankstelle zurück fahren, wo das Malheur geschehen war. Es dauerte 1/4 Stündchen, die Pferde waren draußen, der Transporter von Pferdeäpfeln befreit und mein Trike geladen und festgezurrt. Es ging gerade so der Länge nach rein. Tatkräftig waren die Beiden, legten schützende Pfededecken über mein Trike, wo es durch das Rütteln der Fahrt gefährdet war, anzustossen, banden den Lenker fest usw. - ich stand wie ein begossener Pudel daneben und kam mir in meiner Untätigkeit hilflos vor und schämte mich. Kein schönes Gefühl.
Wir tuckerten in dem völlig chaotisch vermüllten Transporter, der bei jedem Schalten schepperte und krachte, wortlos zu meiner Tankstelle zurück - wortlos nicht, weil es nichts zu sagen gegeben hätte, sondern weil wir keine gemeinsame Sprache hatten. Es war mir sowas von unangenehm und peinlich, mich nicht einmal wirklich richtig bedanken zu können, als wir mein Fahrzeug auf dem Hof der Tankstelle (und Renault-Werkstatt) ausgeladen hatten und er sich anschickte zu seiner Frau und den Pferden zurück zu fahren.
Ich blieb beschämt und gedehmütigt durch meine Dummheit und die sprachlich verursachte unbedankte Generösität zurück mit dem Hinweis, dass es jetzt ja halb eins sei und ich bis 14:00 Uhr wegen der Mittagspause würde warten müssen. Ich bin erst hinterher auf den Gedanken gekommen, ihm wenigstens den Ersatz der Fahrtkosten anzubieten. Da war er schon weg. Das fehlte gerade noch, zeigt aber, wie verwirrt ich war.
Da stand ich nun ich armer Tor mit den geplatzten Träumen von einer Übernachtung hier in Pau! Diesel in meinen Benziner tanken - sowas ist mir in nahezu 74 Jahren noch nie passiert und das jetzt!
Nun kannst Du sagen, lieber Mitreisender, dass das nun wirklich nicht unbedingt eine Steigerung von saudumm wäre, wie eingangs angekündigt, denn sowas ist Anderen auch schon passiert, und ich gebe Dir hier und jetzt, wo ich bei einem halben Fläschchen Rosé in meinem Hotel in Pau sitze, recht.
Die peinliche Steigerung offenbare ich erst jetzt und Du wirst mir zustimmen:
Als ich die drei Tanksäulen sah - Diesel, Benzin 95 Okt und Benzin 98 Oktan - an denen ich getankt hatte, war ich fast sicher, dass ich unmöglich Diesel getankt haben konnte! Vor den Tanksäulen stehend war ich sicher, Benzin 98 Oktan getankt zu haben! Ich ging zu meinem Trike, setzte mich drauf, drückte den Anlasser. Der Motor sprang sofort an. Mein Trike trug mich, brav brummend, flott und reibungslos hier her nach Pau.
Hier füge ich heute, am 14. Juni, ein kleines Detail ein, das ich bisher nicht erwähnt habe.
Wir hatten mein Trike gemeinsam abgeladen und mein Retter beschäftigte sich auf der Beifahrerseite seines Transporters, um seine Normalität wieder her zu stellen, während ich - für ihn nicht sichtbar - mein Trike auf der anderen Seite Richtung Werkstatt schob.
Das war der Moment in dem mich ein weiterert Schreck durchzuckte, als ich - eher resigniert und nur das Blub-blub-stotter, aus erwartend - auf den Anlasser drückte. Mein Trike sprang, wie oben erwähnt, sofort an! Ich habe umgehend auf STOP geschaltet und war heilfroh, dass mein Retter das nicht mitbekommen hat. Ich wäre noch blamierter gewesen und er hätte sich wirklich - und aus seiner Sicht berechtigt - verarscht vorkommen müssen. Erst als er außer Sicht war, machte ich den zweiten und erfolgreichen Startversuch. |
Wenn dieses ausschließlich durch mein panisches Verhalten hervorgerufene Ereignis nicht eine jede Peinlichkeitsgrenze überschreitenden Dämlichkeit von dem darstellt, was als saudumm noch durchgehen kann, dann weiß ich nicht. Ich schäme mich und bin sehr froh, dass Garmin einen anderen Weg für die Wiederaufnahme der Fahrt vorgegeben hat, als den, den ich vorher gefahren war. Sonst hätte ich womöglich noch meine so überaus Hilfreichen mit ihren beiden Pferden nach kurzer Zeit munter und als sei nichts gewesen, überholt.
Bleibt die Frage offen, weshalb mein Trike nicht angesprungen war. Daran gefällt mir nur nun zu wissen, dass Ruhe geboten ist, wenn es wieder mal zicken sollte.
Nach diesem Abenteuer und angesichts inzwischen deutlich regnerischen Wetters - ich hatte die Regenhose schon übergezogen - war mein Wille gebrochen. Ich änderte die Orientierungsregeln für GARMIN und folgte ihm einfach. Natürlich promt nach Toulouse, drumrum und auf Schnellstraßen hier her nach Pau und damit letztlich so, wie ich es nicht gewollt hatte.
Als ich auf Auch zurollte, bot sich mir dieser eindrucksvolle Anblick und ich hielt neben einem Garten, über dessen Gartenzeun der Wind blühende Büsche in Bewegung hielt.
Zu Abend gegessen habe ich in dem modernen, wenn auch durchaus renovierungsbedürftigen Mercure in Pau und es hat sehr erstaunlich gut geschmeckt:
Salat mit gebratener, wunderbar zarter Entenleber |
Filetspitzen mit Artischockenböden an Sauce aus roten Radieschen. |
und zum Abschluss den
obligatorischen Expresso.
Meinem ersten Parador de Santo Domingo, zwischen Logroño und Burgos gelegen, habe ich gerade reserviert - Ruhetag eingeschlossen.