Als ich heute Morgen losfahre ist es kühl und bedeckt - ideales Fahrwetter, wenn da nicht Regen in der Luft hinge, der auch mit fortschreitendem Tag zunehmend angekündigt war. Entsprechend hatte ich mich warm und dicht angezogen.

Blick in Fahrtrichtung Süden

Ich will mich eigentlich nicht nochmal über das spanische Straßennetz auslassen, aber heute hat sich mein Ärger kumuliert. Es scheint kaum mehr möglich ein Ziel anzufahren, ohne auf einer der eleganten, schnell am Leben und der Landschaft vorübereilenden Straßen zu landen - ich fühle mich ausgeliefert und meiner Absicht beraubt, durch Spanien zu bummeln. Stattdessen jage ich an Orten und Dörfern vorbei, die zu durchbummeln ein nicht unerheblicher Zweck meiner Reise ist.

Natürlich könnte ich von der Autobahn abbiegen und ein Dorf ansteuern. Nur muss ich danach, quasi unvermeidlich, wieder auf die Autobahn, um zum nächsten zu gelangen. Zwischen Burgos und Madrid (meine heutige Fahrt) hat man die Landstraße in eine Autobahn verwandelt und versorgt über 220 Abfahrten auf knapp 260 km die am Wegesrand liegenden Dörfer, durch die man früher gefahren ist. Tankstellen liegen stellenweise im Abstand von 1 km und jede hat ihre elegante Zuwegung!

Überlege mal, was das bedeutet: Eine nagelneue, nach heutigen Gesichtspunkten optimierte Autobahn zu bauen mit durchschnittlich einer im Regelfall beidseitigen Auf- und Abfahrt alle anderthalb km! Die Kosten sind absolut irrsinnig. Vor 20 Jahren gab es eine Autobahn-Verbindung entlang dem Mittelmeer und eine Barcelona - Madrid. Und schau Dir mal spasseshalber das heutige Netz an, das nahezu durchweg erst nach dem Eintritt indie EU entstanden ist.

Und auch wenn ich mich wiederhole: Kaum Verkehr - weniger Lastwagen an einem Werktag als bei uns bei sonntäglichem Fahrverbot.

Das ging schon los, als ich aus Santo Domingo raus kam. Unversehens war ich auf der Schnellstraße Richtung Burgos, die zwei Tage zuvor gefahrene von Pamplona via Logroño. Nein, nicht schon wieder! und ich fuhr, als mir das klar wurde, einfach runter und folgte einem miserablen Nebesträßchen. Ich wollte gar nicht nach Burgos, was westlich lag, sondern südwestlich weiträumig vorbei Richting Segovia. Allerdings führte die gewählte Abfahrt erstmal gezwungenermaßen Richtung nordwest.

unterwegsunterwegsGarmin nahm Witterung auf und so trödelten wir genüsslich bei allerdings zunehmend schlechter werdendem Wetter übers Land, ganz wie gewünscht ohne Zivilisation und Tankstellen.

unterwegs
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Mal ein Dorf, mal eine Kapelle, die sich bei näherer Betrachtung zu meiner Überraschung als Blickpunkt einer etwas verwahrlost erscheinenden Sammlung ausrangierter, alter Ackerbaugeräte heraus stellte. Ein Schild informierte mich, dass ich mich auf einer Trasse befand, die schon die Alten Römer benützt haben sollen, als sie von Italien in die damalige Provinz Hispannia zogen und ich dachte mir, dass damals die Straße vermutlich schlechter, dafür der Verkehr reger gewesen sen dürfte, als heute.

Ein späterer Blick auf den Kompass bestätigte meine Richtung: Wir fuhren Süd bzw. Südwest. (Normalerweise habe ich einen gut funktionierenden inneren Kompass, der allerdings wohl die Lage der Sonne als Bezugspunkt benötigt. Dort, wo die Sonne ist, ist auch der wolkige Himmel normalerweise heller. Heute war aber alles grau uni. Ich hatte also keine Eigenorientierung - daher mein an sich unüblicher Blick auf den Garmin-Kompass, um mich zu vergewissern.)

Allerdings hatte ich im ständigen links-rechts Abbiegen und Rumkringeln nicht mitbekommen, dass es zuvor erst mal gut 75 km nordwest gegangen war! Dessen wurde ich mir erst bewusst, als ich mich plötzlich in Burgos befand, also nach knapp 120 km und 2:15 Stunden über Land genau dort, wo ich, wenn ich gewollt hätte, nach 60 km und 50 Minuten hätte sein können!

Ärgerlich, zumal das Wetter inzwischen schlechter geworden war und das Fahren kein Vergnügen - an Fotografieren nicht zu denken!

So brachen Wetter, die schlechte Sicht und das Angebot der Schnellstraße meinen RegenleidWillen und ich düste mehr schlecht als recht Richtung Segovia und damit La Granja. Die letzten 2 der gut 5 Stunden im Sattel hat es ununterbrochen geregnet - und zwar richtig! Und wie die Welt aus Sicht des Bikers aussieht, mag dieses iPhon-Photo aus dem Inneren meines Helmes andeuten - im Stand, wohl gemerkt!

aufgenommenÜbrigens: Gefroren habe ich trotz der gelegentlichen 5° nicht und trocken bin ich auch geblieben.

Mein Parador hat mich trotz meiner tropfenden Aussenhaut mit offenen Armen aufgenommen und bonfortionös untergebracht.

La Granja ( 7. und 8. Tag: Freitag, und Samstag, 27. und 28.4.2012 - Ruhetage)

Das schrieb ich noch gestern am 26. Abend am Ende des nassen Ankunftstages spontan nach dem Abendessen über eben selbiges nieder:

Ich komme soeben von meinem Abendessen - es ist 23:00 Uhr, also normale Spanische Zeit, wenn man auf sich hält. Ich bin borracho, trunken, von der Intensität der Stimmung, des Ambiente, der Qualität des Essens, des Service. Ich muss versuchen in Worte zu fassen, was mich durchtränkt, bevor ich mich an die Ereignisse des zurückliegenden Tages mache.

Arbeitsplatz Arbeitsplatz

Schon dieser, mein "Arbeitsplatz" sollte Dir vermitteln, wo ich mich einquartiert habe - ich bin allein in dem absolut stillen Raum, der sich hinter meinem Rücken erstreckt: Er ist mit wenigen Sitzgruppen möbliert, die zum Lümmeln und Lesen einladen, die Wände sind mit modernen Bildern oder alten Stichen geschmückt.

Der Parador La Granja umgibt seine Gäste mit strenger Harmonie, wirkt umfassend, durchdringt den Betrachter. Die Innenarchitektur und die teilweise kontrastreich modernen Accessoirs überraschen, fügen sich geschmackvoll in die Strenge der klassischen Architektur, locken sie auf, überführen das Klosterhafte ins Weltliche. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass sich jemand der beruhugenden Wirkung entziehen kann.

Meine Bilder - Album weiter unten - können nur sehr eingeschränkt wieder geben, wie der gestaltete Raum auf den wirkt, der sich darin - ja - ergeht, das ist der altmodische aber absolut angemessene Begriff.

SpeisesaalDerart eingestimmt, umfangen, umgarnt und durchdrungen betrittst Du den Speise- ja was: Saal?, Raum?, Gewölbe? - alles falsch und richtig zugleich - Du betrittst einen Raum der Harmonie und fühlst Dich umfangen von einer herrlichen erhabenen Stimmung. Schwülstige Worte, ich weiß, aber andere habe ich nicht, die zutreffen.

Und die bezaubernde Zeremonie des Hinübergleitens in das Abendessen beginnt - es ist 21:30 Uhr, der Aperitiv in der Bar liegt hinter Dir.

PostresDie Speisekarte - nicht die in Englisch, bitte, selbstverständlich die auf Castellano, auch wenn Du nur Bruchteile der blumigen Beschreibungen dar angebotenen Möglichkeiten, Deinen Gaumen verwöhnen zu lassen, verstehst. So viel Stil muss sein. Das ist ungefährlich, denn hinter den Dir verborgen gebliebenen Überraschungen existiert die Gewissheit: Es wird hervorragend schmecken - das Amuse geule, das Vorgericht, der Hauptgang, die Nachspeise und der Wein. Das Ambiente und die Karte in ihrer Aufmachung stimmen Dich schon so ein, dass eine Enttäuschung nicht mehr möglich ist.

SalzKommt hinzu, dass die unauffällig angenehme Betreunug und die Gesten Dir das Gefühl vermitteln, dass Dein Wohlfühlen im Mittelpunt aller Bemühungen steht. Ein Aperitiv wird serviert, 3 Sorten Salz in dekorativer Form werden auf Deinen Tisch gestellt, die Wahlmöglichkeit aus verschiedenen Brotsorten vermitteltt Dir das DAs gehört dazuGefühl, umworben zu sein. Man bietet Dir Olivenöl unterschiedlicher Gaschmacksnuancen an, erklärt Dir die Unterschiede und gießt in das bereit stehende Tellerchen eine angemessene Menge Olivenöl der Sorte, die Du aus dem Angebot gewählt hast.

Amuse geuleDas Amüse geule, begleitet von der Erklärnung seiner Geschmacksrichtung, wird umgehend serviert und lässt Dich nicht vor den leeren Tellern allein.

Du hast Zeit, Dich in der Speisekarte zu tummeln. Die Gänge werden in angemessenem Abstand serviert und alles schmeckt köstlich, umwerfend geradezu! Ich wähle als Vorgericht

Vorgericht Ensalada de Cochinillo Semisecabechado con Queso de Cabra Caramelizado y Vinagreta de Membrillo (Servido con Lechugas Variadas) Vorgericht

Der Salat ist voller Überraschungen und auf meiner Zunge scheinen Geschmackspapillen ageregt zu werden, die im Zusammenspiel so noch nie gewirkt haben. Nein, ich kann nicht sagen, wie der Koch das gemacht hat, aber es war wunderbar, wirklich einfach wunderbar!

Als Hauptgericht

Hauptgericht Corazón de Solomillo de Ternera Rosada, Jugo de Oporto y Terrina de Panceta y Queso Zamorano.

Das Corazón del Solomillo war so weich, dass ich im ersten Moment befürchte, à ponit bestellt, könnte es eher rear sein. Aber der Anschnitt zeigte ein dunkles Rosée ohne blutig zu sein. Fantastisch abgepasst auf heißem Teller serviert nach gebührendem Abstand - auch geschmacklichem Abstand - zum Vorgericht.

MugaMein Wein harmonierte - ich habe gerade 1/3 der Flasche getrunken und Wasser dazu, serviert in einer Luxus signalisierenden, tirefblauen Flasche.

Heute eine ganze Flasche Muga, denn man ist bereit, mir "meine Flasche", die vor meinen Augen personifiziert wird, an den kommenden Abenden zu servieren, wenn ich sie nicht austrinken sollte.

Natillas Suaves de Vainilla con Frambuesas Frescas y Helado de Crema Catalana Nachtisch

Kam der Nachtisch in einer absoluten Überraschungsform und warf mich um:
Was viel schien war ein Hauch von Eischaum mit leichtem Geschmack der Vanille durchsetzt mit frischen Himbeeren. Am Fuss des Glases eine in Himbeersauce ruhende Kugel cremigen Sahneeises, die das Ganze von unten mit Kühle versorgt hat.

ExpressocuentaDer Expresso als Abschluss, eine gesalzene Rechnung und ein meiner Zufriedenheit entsprechendes Trinkgeld - aber ehrlich: Es gibt keinen zu teuren Genuss, wenn er angemessen ist. (Wenn man ihn sich leisten kann und nicht geizig gegen sich selbst ist.)

Inzwischen ist es Mitternacht vorbei und ich gehe in's Bett - ich habe es mir redlich verdient.

Heute ist Samstag, der 28. April, der 8. Tag der Reise und es regnet anhaltend.

Gestern war ich fleißig, habe den Bericht des zurückliegenden Fahrtages verfasst, alle Bilder eingebunden. Letzteres ist eher eine Fleißarbeit, aber zeitraubend. Heute Vormittag - nach sehr gemächlichem Aufstehen und langgezogenem, reichlichem Frühstück - habe ich die Track-Karten eingepflegt, sodass jetzt alles passt. Mir ist es später hilfreich - dem, der mich auf der Reise auf dem Sattel zeitnah begleitet auch jetzt schon - zu wissen, wo ich mich eigentlich befinde und wo die Bilder zu mindest ungefähr entstanden sind.

Ansonsten habe ich es mir einfach gut gehen lassen. Ausgiebiges Duschen, Fernsehen, Schlafen, in der Bar eine Rum Cola trinken, Nüsse dazu knabbern und den Menschen beim Leben im Hotel zuschaun. Durchaus spannend. Nebenbei habe ich meine nächste Bleibe reserviert: Der Parador de Jarandilla. Der Wettervorhersage nach wird dort vergleichsweise schönes und danach zunehmend Wetter schöneres Wetter sein - gut denkbar, denn der Ort liegt jenseits des zentralen Höhenzuges, der die nördliche Wetterscheide bildet. Dazu muss ich wieder mal über den knapp 2000m hohen Puerto de Navacerrada. Schneefrei soll er sein.... Hier jedenfalls sieht's im Moment so aus, wenn ich aus dem Fenster fotografiere.

Mittagessen lasse ich meist ausfallen - auch hier im Hotel. Unterwegs ist Mittagessen so eine Sache, zumal dann, wenn das Wetter nicht dazu einlädt, irgendwo auf einem Dorfplatz anzuhalten und einen Salat oder Gambas Plancha zu genießen. Ein klassisches Spanisches Mittagessen geht eigentlich nicht unter 2 Stunden und das ist mir zu lang. Kommt hoffentlich noch mit besserem Wetter.

Kein Mittagessen ist im übrigen eine gute Rechtfertigung für die voluminös erscheinenden Abendmahlzeiten. Die übrigens soooo reichhaltig nicht sind, wie es scheint. Diese selbstberuhigende Aussage bezieht sich natürlich nur auf die Hauptmahlzeit selbst. Brot mit Olivenöl, Wein und Nachtisch ignoriere ich dabei geflissentlich. Eine weiteres Abendessen hatte ich natürlich auch gestern. Das Menu habe ich bebildert trotz der Gefahr, dass das Essen nicht nur auf dieser Seite, sondern insgesamt eine dominierende Rolle einnimmt. Aber was soll man bei dem Wetter auch schon anderes tun, als Essen und schlafen?

Mich stört's nicht und keiner muss mitessen. Jedenfalls war das der Ablauf

Ausgangslage
Ausgangslage
Amuse geule
Amuse geule
(vergetarisches Häppchen)
Appetitanreger
Crema Suave de Foie-Gras con Gelatine de Pedro Ximenez y Haba Tonga
Vorgericht
Salteado de Espáragos Blancos Naturales con Corazones de Alcachofas y Jamón Ibérico
Hauptgericht
Lomo de Cebón Elaborado a la Parilla y Acompañado de Patatas Salteadas con Verduritas al Romero.

und der Nachtisch bestand danach nur aus einem Cafe Solo.

Ich schreibe diese Zeilen auf dem Schoß am plätschernden Brunnen - ein sehr angenehmer Ort im Haus. Anschließend werde ich noch einen Rundgang mit Fotoaugen machen - vielleicht gelingt es mir ja, mit ein paar Bildern die besondere Athmosphäre dieses Parador zu vermitteln. Das Album findest Du hier»

Inzwischen ist es Abend geworden und der Himmel hat sich gehoben - selbst die Sonne kommt kurz mal durch. Ich habe die regenfreien Momente genutzt und einen kleinen Bummel gemacht, denn La Granja de San Ildefonso ist nicht irgendein kleines Kaff an den nordöstlichen Ausläufern der Sierra Guadarrama, sondern seit Mitte des 18. Jahrhunderts die Sommerresidenz der Spanischen Könige und entsprechend prächtig und umfangreich die Schloss- und Park-/Gartenanlage, die alleine 600 ha umfasst. Die klimatisch im Sommer angenehmen Höhenlage hat auch noch der Generalissimo Franco genossen.

Als ich gestern meinen Bummel machte, war der Garten schon geschlossen - offen bis 19:00Uhr - und da hat's noch geregnet. Willst Du mehr über La Granja de San Ildefonso wissen, dann klick hier»

Morgen früh geht's wieder in den Sattel.

Meine Absicht, den etwas längeren Aufenthalt hier dazu zu nützen, mich in Segovia umzusehen, hat das Wetter zunichte gemacht. Schade.

 

Track_04
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Restaurante
Sto.Domingo-La Granja ( 6.Tag: Donnerstag, 26.04.2012-327km/5:29h Fahrzeit - Etappe 04)
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