Störche sind hier die Rattemn der Lüfte |
Es ist etwas ganz Unerwartetes, ja Unerhörtes!, passiert: Es war schönes Wetter! Die Sonne schien mehr, als der Himmel bedeckt war und ich habe keinen Tropfen abbekommen. Dabei war es bei ca. 15° angenehm zu fahren. Ich habe trotz elegantester Straße gebummelt. Schnitt 45 km/h. Und ein paar Fotos unterwegs gemacht, die ich hier verstreut einbaue. Von der Fahrt - sie war ja wirklich rechtkurz heute - gibt es nichts
Besonderes zu berichten; zusammengefasst könnte man sagen, dass ich von den südlichen Ausläufern der Sierra de Gredos nach Süden durch ein sehr weites Tal - eher eine lanwirtschaftlich fruchtbare und intensiv genutzte Hochebene - gefahren bin, häufiger begleitet von Storchen-Populationen, als von menschlichen Ansiedlungen, um dann wieder über die nächste Bergkette Altamira zu kurven, bis dann irgendwann in deren Ausläufern Guadalupe liegt - nicht zufällig! wie sich zeigen wird.
Statt die alte Straße general zu überhollen, musste gleich eine neue Supertrasse in die Ladschaft gefräst werden, um kaum genutzt und daher unnötig auf Zerfall zu warten... |
Natürlich bin ich wieder mal auf bester Straße gefahren, die, wo nötig, in eleganten Kurven in die Hügel- und Berglandschaft eines unfruchtbare Nirgendwo gefräst auf ca. 70km Navamoral und Guadalupe miteinader verbindet. Ein einziges Städtchen liegt am Weg. Sonst nur Steineichen und Macchia. Verkehr fand nicht statt - außer mir. Zumal kein Wirtschaftsverkehr. Wie auch, wo die beiden Orte keinen nennenswerten Warenaustausch haben und auch nicht am Verbindungsweg zwischen zwei entfernteren Wirtschafts-Regionen liegen. Auf einem Foto rechts erkennt man den Vergleich von vorher/nachher und ich bin einverstanden: Das Vorher war deutlich nach ca. 5 bis 10 Jahren ohne Pflege renovierungsbedürftig - aber hat es eine ganz neue Straßenführung mit Bundesstraßencharakter bedurft, oder hätte eine Erweiterung mit neuem Belag des Bestehenden nicht gereicht? [Vermutlich hätte es unter dem Titel "Mantemiento" (Erhalt) keinen EU Zuschuss gegeben - unter Regionalerschließung durch notwendigen Straßen-Neubau hingegen schon.]
Nun bin ich fast im Herzen der Extremadura angekommen und werde hier 2 volle Tage bleiben und das tun, wozu mir bei meinem letzten Besuch wegen der Kürze der Zeit keine Möglichkeit gegeben war: mich hier umsehen und zu verstehen versuchen, warum dieses Kloster für alle Regionen der Welt, in denen spanisch gesprochen wird, eine so zentrale Bedeutung hat. Die Insel Guadalupe und unzählige Or te auf der ganzen Welt, die Guadalupe heißen sind wegen dieses Klosters so benannt. Ich werde erfahren, dass es die Wunder sind, die auf das Wirken Nuestra Señora de Guadalupe zurück geführt werden. Mehr davon später
Mein Parador hat mich gut aufgenommen und untergebracht.
Mittwoch, der 02. Mai, Tag 12, [Ruhetag 1]
Ich habe bestens geschlafen in meinem
breiten, ausreichend langen, bischhöflichen
Himmelbett mit Baldachin. Der Blick vom Balkon - so einem kleinen, typischen, auf den man raustreten kann, sonst nichts, sturzgeschützt von einem bauchhohen schmiedeeisernen Gitter - fällt gleich auf's Wesentliche, das Kloster.
Der Tag begann mit einer Begegnung und einem interessanten Gespräch mit einem deutschen Ehepaar meines Alters beim Fühstück. Er, Offizier und wohl mit seinen bereits 78 Jahren längst pensioniert, und seine Frau haben wohl eine Winterbleibe in Marbella. Sie war deutlich jünger und er fit wie ein Turnschuh - was mich in meiner Selbstwahrnehmung bezüglich meiner eigenen Fitness doch auf ein neues Maß eindampfte. Wie ich haben sie einen Narren an den Paradores in alten Gemäuern gefressen und besuchen sie gezielt seit Jahren. Wir haben uns interessiert über verschiedene Erfahrungen ausgetauscht und Tips gegeben. Das war die eine Gemeinsamkeit.
Die Andere bestand in absoluter Einigkeit über den Irrsinn des spanischen Straßennetzes. Es bedurfte nicht vieler Worte und unsere Beobachtungen und Schlussfolgerungen deckten sich bis hin zur Erkenntnis, dass eine gute Infrastruktur immer wünschenswert ist, aber nur in dem Umfang sinnvoll, in dem sie gebraucht wird und erhalten werden kann. Und beides ist hier nicht der Fall womit sich unausweichlich die Förderung der EU letztlich als Schuss in den Ofen hertausstellen wird. Wir haben uns in unserer Empörung hochgeschaukelt und gegenseitig überboten. Herrlich!
Sie wollten weiter und ich durch den Ort bummeln und so blieb es bei dem gegenseitigen Wunsch einer anhaltend guten Reise.
Derart bestätigt - und wer wird nicht gerne bestätigt - habe ich einen ausgedehnten Spaziergang durch das Dorf gemacht. Im Umfeld des zentralen Punktes vor der breiten Treppe zum Eingang in die Kirche herrscht das Touristenangebot. Fehlen allerdings die Schwarzen mit ihrem Angebot an Ledergürteln und Holzfiguren.
Kleine Cafés, Posadas, Reataurantes und sonstige Kneipen drängen aus ihren minimalen Lokalen auf den Platz. Die Läden, Tür an Tür, bestenfalls groß wie ein kleines Zimmer, verkaufen im Inneren Alltägliches: Der Bäcker seine Backwaren, der Metzger Chorizo und Fleisch, der Kolonialwarenladen alles andere angefangen bei der Kernseife.
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Die Straßenfront ist ineinanderfließend bestückt mit Touristenkitsch der geschmacklosesten Sorte; insbesondere natürlich die unglaublichsten und variantenreichsten Verformungen und Interpretationen eben jener Nuestra Señora de Guadalupe, der das alles zu verdanken ist.
Der Ort liegt am Hang und die Gassen sind allenthalben ziemlich steil und gerade autobreit - ursprünglich für Fußgänger gebaut mit beidseitigen Arkaden und überragenden Wohnflächen, denn die meisten Häuser sind gerade mal 3m breit. Selbst für Kleinlaster kein Durchkommen wegen der Überbauungen. Unter heutigen Gesichtspunkten ist der Ortskern einfach nicht bewohnbar und bei allem Respekt vor dem touristischen Bedürfnis nach pitoresken alten Ortskernen: Dass da niemand mehr leben will, ist absolut nachvollziehbar.
Das findet Ausdruck in den dicht gesähten Schildern, die variantenreich vermelden "Se vende" (zu verkaufen). Die Schnappschussergebnisse eines Rundgangs findet Du hier»
Der Ort wäre längst verfallen, wäre da nicht die kulturhistorische (Weltkulturerbe) und sacrale Bedeutung des Klosters und der gesamten Anlage, die wirklich ausnehmend eindrucksvoll die Ortsmitte definiert. Ich bin auf einen Hügel gefahren, um ein paar Bilder von aussen zu schießen. Mein neues Gefährt hat sich dabei übrigens als sehr hilfreich erwiesen, denn Hügel heisst schmale und abschüssige Wege und die Notwendigkeit anzuhalten, Bremse einzulegen und abzusteigen, wo die Sicht stimmt.
Die Klosteranlage mit ihren Befestigung ist derartrig raumgreifend und wuchtig, dass man sich als Betrachter ohne Bezug zu Glauben und Kirche fragt, welche Kraft gewirkt haben muss, um das entstehen zu lassen und durch die Jahrhunderte zu erhalten. Ich bin gespannt, ob mir der Klosterkomplex ein Gefühl dafür vermitteln kann.
Das Bild habe ich dem Prospekt entnommen |
Ja, ich habe die Klosterführung mitgemacht! Hier» ist der Nachweis und ich habe es nicht bereut. 90 Minuten, die im Angesicht des Sanktuariums, des Allerheiligsten, der Madonna endete, bewacht von Mönchen, derer einer uns die letzte Pforte zum Relictario y Tesoro öffnete. Wir blickten auf den Rücken des in Gold und Emaille gearbeiteten, mannshohen Throns. Andachtsvoll gedreht offenbarte er die auf ihm sitzende - nein, natürlich thronende! - Nuestra Señora de Guadalupe, die huldvoll und selbstvergessen von güldenem Strahelnkranz umgeben gen Himmel gerichteten Blicks verharrte, ihr Kind auf dem Schoß. Ihr wurde von den in vorderer Reihe stehenden gläubigen Besuchern mit Kniefall gehuldigt. Das Jesuskind hatte mittreleuropäische Gesichtszüge, aber schwarze Haut - wie seine Mutter!
Ich muss konstatieren, dass ich weder während der eindrucksvollen Führung noch angesichts des zur Schau gestellten unendlichen kirchlichen Reichtums und der unglaublichen Kunstschätze bis zurück in's XV. Jahrhundert, so etwas von Ehrfurcht oder gar den heiligen Schauer eines mystischen Ortes empfunden hätte. Wenn man nicht gläubig ist, sieht man das, was ich gesehen habe und was in Variationen in vielen Domen, Münstern, Kirchen, Klostern zu sehen ist, doch mit sehr kritischen Augen. Ich habe mich gefragt, wie es hat sein können, dass sich vor ca. 2000 Jahren aus dem Nichts eine von Menschen gemachte Organistaion gebildet und es geschafft hat, Glaubende für sie das alles erarbeten zu lassen - für "Gottes Lohn". Phantastische Leistung und bedenklich, wie ich finde.
Es geht nicht um den materiellen Reichtum, den insbesondere die katholische Kirche gesammelt hat. Wenn man sich die kulturellen Werte und Kunstschätze vor Augen führt, die sie zusammengetragen, gesammelt, bewahrt und durch die Zeiten gesichert hat, so ist sie dafür zu loben und mit Blick nach vorn in unserer materiellen Weltsicht nicht zu beneiden: Die Verantwortung gegenüber der Menschheit, alle diese Kulturschätze zu bewahren, die in 2000 Jahren erschaffen wurden, ist eine unglaubliche Verpflichtung und eine auf Dauer kaum tragbare, materielle Last.
Ich stand unter anderem vor einer Stickerei aus dem XV. Jahrhundert, die ich mir von ganz nah - nur eine Glasscheibe dazwischen - anschaun konnte. Allegorische Szenen, deren Bedeutung und Aussage ich nicht kenne, auf einem Wandteppich etwa 5 m lang und 1 m hoch. Mit der Lupe war zu erkennen, dass die Stickerein bis hinein in den Glanz jedes einzelnen Auges in Gesichtern von der Größe einer zwei Euro-Münze reichten. Das waren gerade mal ein, zwei weiße seidenfadendicke Punkte. Jede Schattierung von Gesichtsfalten und jeder Farbverlauf waren mit feinsten Nadeln gestickt. Darauf wäre ich nie gekommen, sondern hätte die Abbildung für ein feines, mit Haarpinseln gemaltes, fotorealistisches Gemälde gehalten. Es müssen Milliarden Stiche gewesen sein, so eng gesetzt, dass ich mich wundere, dass das Trägermaterial nicht völlig durchlöchert seine tragende Funktion verloren hat. Aber vermutlich hat man damals ene besondere Kunstfertigkeit entwickelt, um eben gerade soetwas zu verhindern.
Und der Raum war voll von Prachtgewändern für kirchliche Würdenträger - alle mit dieser zeitraubenden Sorgfalt und Kunstfertigkeit gearbeitet! Kommen die Bilder, die Bibliothek, die Holzschnitzereien, die Decken- und Wandgemälde, kommt das gewaltige Bauwerk, dessen Bilder ich hier» einfüge, hinzu. Und weitet man den Blick und versucht sich vorzustellen, wieviele derartige und noch weit größere kirchliche Gebäude es mit ähnlichen, teils noch viel umfangreicheren Sammlungen auf der Welt gibt, kann man vielleicht ermessen, wieviel menschliche Arbeitskraft, Kunstfertigkeit, Kreativität und Leidenschaft in den zurückliegenden 2000 Jahren zu Herrschaft, Macht und Reichtum vergleichsweise weniger, hierarschisch herrschender Kirchenmächtiger ausgebeutet wurde.
Ausbeutung im irdischen Dasein im Tausch gegen das nicht einklagbare Versprechen auf Erfüllung eines himmlischen Daseins im Jenseits bei gleichzeitiger Androhung der ewigen Hölle bei Nichtbefolgen.
Ausgebeutet wurden - und werden anhaltend - Gläubige, also Überzeugte, aber nicht Wissende - Naive und Uninformierte, Menschen, wie die, die heute vor dieser Figur aus Gold, Glanz und Pomp niederknieten. Huldigung und Hingabe vor dem sichtbar gemachten Abbild aus einer der unendlich vielen absurden und völlig unglaubwürdigen Geschichten von Wundern, wie dieser der Señora de Guadalupe, die kurz gefasst etwa so lautet:
Ein Bild, gemalt in frühchristlichen Zeit und zurück geführt auf den Heiligen Lukas, wurde von Papst Gregor dem Großen, der dieses Gemälde besonders verehrte, aus seiner Privatkapelle als Freundesbeweis dem heiligen Erzbischof Leander von Sevilla von Rom nach Sevilla gesandt, wo es trotz Sturm auf See heil ankam. Auf der Flucht vor der Besatzung Südspaniens duch die Sarazenen nahmen einige Prieser im Jahre 714 das Bild nebst einiger Reliquien mit aus Sevilla und vergruben es im Quellgebiet eines Flüsschens an den südlichen Ausläufern des Altamiragebirges, das später Guadalupe genannt wurde. Es geriet 500 Jare in Vergessenheit.
Während der Rückeroberung Südspaniens durch die Reyes Catholicos geschah es, dass ein Hirte aus Cáceres eine seiner Kühe tot, aber nach 3 Tagen noch immer unversehrt auf seiner Weide an der Quelle eines Baches fand. Um sie zu häuten setzte er auf ihrer Brust den üblichen Kreuzschnitt an, worauf sie wieder lebendig wurde und eine Jungfrau (woher man das wohl wusste?) erschien, die den Hirten anwies, dafür Sorge zu tragen, dass just an dieser Stelle gegraben werden solle. Das geschah. Man grub und fand... Na was? und führte die Weisung aus, ein Kloster zu bauen.
Dessen Rechtfertigung wurde durch eine anhaltende Kette weiterer Wunder ähnlicher Qualität und Wahrscheinlichkeit belegt. Und das Kloster wurde immer größer und einflussreicher und nun ist es sehr eindrucksvoll, das muss man zugeben.
Na und so leben die Händler im Ort anhaltend von diesem Wunder - die Bilder belegen es - und die Kirche von diesem und vielen weiteren Wundern durch Marienerscheinungen an anderen Orten dieser Welt und die Naiven bezahlen den Zauber.
Modern interpretiert: Die Ausbeutung der Glaubensbereitschaft ist die beste Marketingidee ever und die Kirchenorganisation das erfolgreichste Unternehmen, das es je gab. 2000 Jahre Ausbeutung, Gewalt, Inquisition, Völlerei und Unzucht der jeweils herrschenden Vertreter Gottes haben ihr nicht geschadet. Gott ist wohl besonders gnädig mit denen, die das zu verantworten haben.
Die Hebammen und Weisen Frauen im Mittelalter hatten da wohl weniger Rückendeckung und wurden als Hexen und Teufelsliebchen verbrannt. Ich denke, die wussten einfach zu viel, glaubten nicht allen klerikalen Humbug und das war nicht kirchengefällig.
So viel an dieser Stelle und duch meine Brille gesehen vom Real Monasterio de Nuestra Señora de Guadalupe, dem königliche Kloster unserer Madonna von Guadalupe.
Donnerstag, 03. Mai, Tag 13 [Ruhetag 2]
Keine Überraschung - es regnet. Seitdem ich aufgestanden bin. Jetzt ist es 14:50 Uhr.
So wird es heute bleiben. Um mich rum graue Suppe bis zum Boden. Sicht gleich Null.
Also hatte ich Zeit, meine Fotoausbeute zu sichten, zu formatieren und zu hinterlegen. Du hast sie in den beiden Alben gefunden. Einen kleinen Nachtrag hinsichtlich der Bilder vom Kloster möchte ich noch machen.
Während der Führung durch die "Eingeweide" war fotografieren strengstens verboten. Es hat mich wirklich in den Fingern gejuckt, das eine der andere verbotene Bild zu machen. Aber alle haben sich an das Verbot gehalten, also auch ich. Und ich muss zugeben, das ist auch gut so. Denn mann konnte im Gegenzug sehr nahe an die Kunstschätze heran - viele waren nicht gekapselt. Selbst ein kleiner El Greco, knapp A4 groß und flugs mal auszutauschen. Wenn ich mir vorstelle, wie Besucherhorden in der Saison hier bei der heutigen Knipswut mit Blitzlicht hausen, dann bleibt vermutlich nach einiger Zeit nicht mehr viel Farbtreue zu knipsen.
Für morgen werde ich mich jetzt seelisch wappnen, denn das Wetter soll dem Vernehmen nach so bleiben. Vielleicht habe ich Nuestra Señora de Guadalupe nicht ernst genommen. Dann gibt es eben auch keine Wunder. Selbst schuld.