So sieht mich der Bauarbeiter vom Straßenrand aus, wenn ich ihm freundlich zulächle, weil er die Straße für mich repariert und mich mit seiner Ampel erst mal aufgehalten hat.

Etwa 3 km vor meinem heutigen Ziel, dem Parador Santa Domingo, bin ich gestürzt, habe eine Abschürfung am linken Handgelenk und ein leicht angestauchtes Solches!
Nein, nicht mit dem Trike, das brauche ich dazu offensichtlich nicht mehr, sondern durch überhebliche, selbstüberschätzende Hast. Ich wollte, um dieses Foto zu machen, auf einen kleinen Schutthügel - mal gerade 1,5 m hoch und grün überwuchert - steigen, um eine bessere Perspektive zu haben. Ein Fehltritt auf einen unterm Grün verborgenen, wackeligen Stein und ehe ich mich's versah stürzte ich eher kopfüber, die Kamera in der Rechten rettend hochgehalten auf die instinktiv abstützende Linke und schlug mit dem Kopf auf einen Stein - ohne jedwede Folge dank Sturzhelm. Vielleicht sollte ich den in meinem restlichen Leben nur noch im Bett absetzen angesichts dieser Erfahrung..... Also nix passiert - aber eine Mahnung und Erinnerung daran, dass sich einzubilden, jung und fit und folglich allem gewachsen zu sein, ein ziemlicher Irrtum ist. Das Motto: Alle werden alt, nur ich nicht, scheint brüchig und trägt nur, bis die Haxen wegknicken - mit oder ohne Bike.

Zur Tagesetappe: Als ich in Pau nach einer guten Nacht und einem erneut sehr erfreulichen Frühstück losfuhr, regnete es. Meine Regenhosen hatte ich an und angesichts von 9° und der Aussicht auf Schneefall auf der Passhöhe, wie die Wettervorhersage und die Receptionista prophezeit hatten, meine neues Funktionsunterhemd untergezogen. So eins: Winddicht, Wärme innenhaltend aber Schweiß raustransportierend (wie immer das gehen soll).

Keine Scheu
Da hinten irgendwo ist mein Pass über die Pyrenäen im Regendunst verborgen.
Ibañeta
Klosteranlage Roncevalles
Klosteranlage Roncevalles
Klosteranlage Roncevalles
Pilgerpaar
 
unterwegs
Straßenanbindung
Schau Dir mal den straßentechnischen Bauaufwand an - gegenüber der gleiche Kreisverkehr verbunden durch die Brücke über die Autobahn.

Alles nur wegen dieses Kaffs - drüben gibts keine Weiterführung aus dem Kreisverkehr hinaus. Nur zu der Versorgungstrasse.
DORF MIT BEIDSEITIGEM autobahnanschluss

Ich war gewappnet und fuhr erst entlang und dann über die Pyrenäen. Es blieb regnerisch - gelegentlich hörte es mal auf und ganz selten mal trat die Sonne den Beweis an, dass sie es ist, die alles überschaut und auch mal auf mich zu scheinen bereit war.


von da hinten unten komm ich her - es war kühl und nass.

Den Puerto Ibañeta mit seinen gerade mal gut 1000 m habe ich schon einige Male gequert. Heute machte ich erstmalig Stop am berühmten Pilgerkloster Roncevalles und sah mich um. Pilger, ja; bei der Saukälte und dem wirklich miesen Wetter hatte ich ziemlich viele überholt, wenn sie stückweise gezwungen waren, am Straßenrand entlang zu pilgern. Die meisten zu Fuß, manche sich auf dem Fahrrad emporquälend mit nackten, sehnigen, braunen Waden.

 

RoncevallesDas Kloster ist eindrucksvoll in seiner Gesamtanlage, wobei die Mehrzahl der Gebäude wohl als Pilgerherberge dienen. Was so bescheiden klingt - Pilgerherberge - sind zwei Hotels unterschiedlicher Kathegorie, zwei Restaurants, eine Touristeninfo und irgendwo ist noch ein Sakralbau und gelegentlich huscht sowas wie ein Novize - oder ist es ein Hotelboy? - in schwarzem, trikotartigen Gewand durchs Bild, auf der Brust ein grün eingesticktes, stilisiertes P.

Zwei Pilger - Vater mit Sohn vermute ich - liefen mir vor die Kamera und an mir vorbei. Deutsche, mit absolut perfekter Ausstattung. Die weckte in mir die Vermutung, dass es bei Intersport auch einen kompletten, modischen Satz Funktionskleidung für den Camino de Santiago mit Rucksack und auf Taille geschnittenem Wetterschutz zu kaufen gibt. Gut, quälen muss man sich dann letztlich doch noch selbst.

Weiter gings nach Spanien. Die Kringelstraße - Pass rauf, Pass runter - wich einer elegantern und nach Spanischer Manier qualitativ bester und großzügiger Straßenführung nach und um Pamplona herum Richtung Logroño und dran vorbei Richtiung Burgos. Ab Pamplona besserte sich das Wetter zusehens. Die Sonne schien mehrheitlich, die Wolken waren weiß, friedlich und behielten ihren Regen bei sich.

Da ein Dorf, das ich fotografiert habe, dort ein anderes mit dominanten Herrschaftsgebäuden - weltliche und kirchliche - aus vergangener Zeit.

Und immer diese Schnellstraßen. Und sie bauen immer weiter! Auch ohne Geld! Die Nationalstraße, Qualität Bundesstraße bei uns, die schon immer die Achse Pamplona - Logoño - Burgos verbunden hat, ist einer kostenlosen (In Beamtendeutsch: nutzungsentgeltfreien), 4-spurigen Autobahn gewichen. Verkehr ja, aber schwindend. Sie verbindet Wirtschaftszentren in der - neben Cataluña mit Barcelona - zweitreichsten und sehr geschäftigen Regionen des Baskenlandes. Es ist ein Dienstag. Kein Güterverkehr, kein PKW-Verkehr. Und brlllant die Straße, Wahnsinn! Immer wenn ein leichter Anstieg kommt eine dritte Spur und über ein Flüsschen wie dem Ayo spannt sich eine großzügige Brücke. Jetzt in der Regenzeit, war er so breit, dass ich mit gespreizten Beinen gleichzeitig auf beiden Ufern hätte stehen und freihändig reinpinkeln können.

Es ist durchaus richtig, in Infrastruktur zu investieren, aber was nützt das beste, neue Adergeflecht, das das gesamte Land durchzieht und wahnsinnig überdimensioniert ist, wenn kein Verkehr fließt, kein Blut in den Adern rinnt? (Schau Dir als Beispiel man die wahnsinns Kreiverkehrslösung auf dem Foto an, das mein Trike zeigt. Es ist die Autobahnanbindung mit Querung der Autobahn und gleichem Kreisverkehr auf der anderen Seite , nur, um das Dorf und einige dahinter liegende zu versorgen. Auf der anderen Seite gibts kein Dorf, was anzubinden wäre!)

Das ist nicht nur jetzt so, wo die Wirtschaft stockt, sondern immer! Man muss bedenken, dass Spanien eine meerumgebene Randlage in Eutopa hat - Portugal fällt transitmäßig nicht ins Gewicht. Sinnvoll sind also Straßen, die nach Europa führen und weiter in den Osten. Da gibt es aber nur zwei: Die Autobahnanbindung bei Irun am Atlantik und auf der östlichen Seite in Catalunien am Mittelmeer. Alles andere ist innerspanisch und verbindet alle Regionen miteinander und alle Dörfer mit allen anderen. Aber Spanien hat gar nicht die industrielle Struktur und nur bedingt innerspanische Notwendigkeit, Waren aus verteilten Ferigungsstandorten zusammenzuführen und Nahrungsmittel zu verteilen.

Schon immer war das Land stolz - das war auch in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts so - dass man in den Lokalen im zentral gelegenen Madrid Tagesfang ebenso aus dem Mittelmeer wie aus dem entlegensten Galizien servieren konnte - dank der spinnennetzförmigen, guten und schnellen Straßenverbindungen mit Madrid im Zentrum. Sicher war Verbesserung wünschenswert und ohne Zweifel hatte das Land eine auch die Fläche verknüpfenden und versorgenden Ausbau des Straßennetzes nötig.

Die EU hat es ermöglicht, dass das ganze Land mit einem ganz eng verknüpften gigantomanen Netz hochwertigster, sprich exorbitant teurer Straßen überzogen wurde, auf denen nun - mangels Bedarf - kein adäquater Verkehr läuft.

Nun ist das Geld ausgegangen und Pflege und Erhaltung drücken. Ich denke, dass da viel bröckeln und wieder wegen mangelnden Bedarfs in kurzer Zeit verrotten wird. Schlichtweg rausgeschmissenes Geld - geschenkt und verantwortungslos verbraten. Es wäre sinnvoller gewesen, es in den Aufbau einer leistungsfähigen, mittelständischen Wirtschaft, in Forschung und Entwicklung, in produktive Arbeitsplätze zu stecken.

Aber wir haben es mit Politikern zu tun, geltungsbedürftig und wiederwahhlorientiert sprich kurzfristig denkend und handelnd - am besten ohne etwas von Wirtschaft zu verstehen, das stört nur, unter dem Motto: Sozial sein, Denkmale setzen und Geld verschenken macht Freunde.

Nun denn. Ich habe die Schnellstraße benutzt - ich wollte nach dem verregneten Tag ankommen und relaxen in angenehmer Umgebung.

Als ich mein Trike in der Garage abstelle stehen da zwei identische, nagelneue BMW; über die eine beugt sich ein Mensch und ich stelle mich daneben.

Es ist nicht irgendeine BMW, nein das derzeitige Flagschiff: BMW K 1600 GTL. Das sagt Dir im Zweifel nicht nix. Drum in Kürze die Serienausstattung:

  • 22.200 €,
  • 160 PS,
  • 350 kg Leergewicht

Dagegen ist meine BMW 1200 GS mit ihren lächerlichen 98 PS ein Spielzeug! Also zusammengefasst: Ein Monster.

Weshalb ich das so ausführlich beschreibe, wo es doch so unwichtig ist? Ganz einfach: Ich habe meine BMW gegen mein Trike getauscht, weil sie mir, dem 192cm-Mann, zu schwer und unhandlich geworden war. Auf meine Ansprache reckte sich der übergebeugt beschäftigte Mann zu voller Lebensgröße: 165 cm, schätze ich, 65 Jahre alt, wie das Gespräch ergab. Er habe dieses Bike gerade gegen die BMW 1200 GS getauscht (meine!). Natürlich ein Engländer, heute per Schiff in Santander angelandet und nun unterwegs durch Spanien mit seiner kugelrunden Gattin - etwas kleiner als er mit zu engem und schmalen Kiefer und folglich zu weiten Wangentaschen, wie ihr Lachen freimütig offenbarte.

Ein solcher Tag musste erfolgreich abgeschlossen werden - mit einem würdigen Abendessen, das mir redlich verdient schien.

amuse geule ensaladilla solomillo Dazu eine halbe Flasche Muga 2008, Wasser und zum Abschluss ein Expresso und
die Rechnung»

Santo Domingo ( 5.Tag: Mittwoch, 25.04.2012 - Ruhetag)

Den heutigen Tag habe ich sehr erfolgreich dazu genutzt, mich zu regenerieren, was nötig war. Nicht nur von meinem gestrigen kleinen Unfall, sondern auch von einem "Ganzkörpermuskelkater", wie ich das nennen würde.

Ursache ist ohne Zweifel die letztlich doch unglückliche Sitzhaltung auf meinem Trike. Ich bin nicht dafür gemacht oder anders: Mein Trike kann seine Herkunft aus dem Land der Italiener, der Anpassung an deren durchschnittliche Körpergröße und dem eigentlichen Zweck, für innerstädtische Kurzstrecken gebaut zu sein, nicht verleugnen.

Für 192 cm-Menschen nicht gebaut. Die vorgenommenen Umpolsterungen am Sattel haben was gebracht. Ich kann meine Sitzposition variieren und damit die Knie entlasten. Die Gefahr, eine rückenbelastende Haltung einzunehmen, ist aber sehr groß und ich muss mich immer wieder daran erinnern: Sitz aufrecht, Deine Bandscheiben werden es Dir abends danken.

Wenn ich zurück bin, werde ich gerade für die Bein- und Sitzhaltung noch etwas verändern lassen - ich denke auch zu wissen, wie an welchen "Schrauben gedreht" werden muss.

Dennoch ist die Haltung in allen Varianten - 3 Grundpositionen habe ich herausgefunden, die in ihrer Variation einander ergänzen - ungewohnt und belastet ganz offensichtlich Muskelpartiene, von denen ich nicht wusste, dass sie existieren. Sie haben sich gestern abend und in der Nacht schmerzlich zu erkennen gegeben - ergänzend zum angestauchten Handgelenk, was sich übrigens bestens erholt hat und kaum mehr zu spüren ist. Insgesamt war ich in einem Maß gerädert, wie bei deutlich längeren Strecken auf meiner BMW nie. Mag aber auch daran liegen, dass meine letzten Langstreckentouren nun 2 Jahre zurück liegen. Und vermutlich geht das Älterwerden auch nicht linear von statten, sondern potenziell. Ich habe zumindest manchmal so den Eindruck.

Heute habe ich mich hier etwas umgesehen und festgestellt, dass dieser Parador, den ich noch nicht kannte, aus der Bausubstanz nicht das hergibt, was die Außenoptik verspricht. Er steht auf erkennbar alten Fundamenten und die Hall, die den gesamten Grundriss umfasst, besteht aus tragenden, alten Spitzbögen - frühgotisch würde ich meinen. Darüber ist alles Neubau. Allerdings wurde erfolgreich versucht, den rudimentären Bestand aufzunehmen und in den Fluren und Zimmern modern zu interpretieren.

Ein wenig habe ich fotografiert - im Ort, in der Kirche, die unmittelbar gegenüber liegt und das eigentliche Pilgerziel darstellt und ein paar Aufnahmen in der Hall des Parador. Ich binde sie kommentar- und nahtlos in diese» Fotostrecke ein.

Übrigens habe ich schon einmal - nämlich 2007 - in Santo Domingo einen Ruhetag eingelegt - damals in dem anderen Parador Bernardo de Fresneda. Damals habe ich auch die Überlieferung mit dem Hahn erzählt, die erklärt, warum “das Huhn noch sang, nachdem es gesotten war“. Den schneeweissen, lebendigen Hahn mit prächtigem Kamm und Schnabellappen habe ich heute wieder in der Kirche besucht. Kannst hier» ja nochmal nachlesen.

Morgen fahre ich nach Segovia. Das liegt nordwestlich von Madrid. Dort gibt es - übrigens wie hier auch - zwei Paradores, wobei der etwas außerhalb gelegene derzeit mein absoluter Favorit ist. Ich habe gleich 3 Nächte reserviert um mal das zu tun, was bisher bei meinen beiden früheren Einquartierungen in La Granja, so heißt er, unterblieb: Segovia besuchen, eine absolut sehenswerte Stadt.

Übrigens: Gegessen habe ich natürlich auch - das soll nicht unterschlagen werden.

FrühstückseierZum Frühstück habe ich mir dos huevos passados por aqua - 6 minutos, por favor (zwei Eier - 6 Minuten). Sie kamen und zwar in der abgebildeten Form. Eierbecher existieren nicht - ich habe mir aber erfolgreich geholfen und sie nach der bei uns gewohnten Art mit dem Kaffeelöffelchen gegessen.

Das Abendessen bestand, wie am Vortag aus drei Gängen: Wieder die Spargel, denn die waren vorzüglich, dann Chuletas de Cordero (Lammkoteletten, die zwar geschmacklich in Ordnung, aber von der Fleischqualität nicht gut waren) und letztlich einen köstliche Nachtisch. Optisch machte sich das so.

amuse geule Spargelsalat Lammkotelette
amuse geule Spargelsalat Nachtisch

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Pau - Santo Domingo ( 4.Tag: Dienstag, 24.04.2012 - 307km/6:44h Fahrzeit - Etappe 03)
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